Die Rebellen von Irland
Sache gewesen. Nur ein Name war überraschend hinzugekommen, der des Verräters William Walsh. Die ganze Wut des Vizekanzlers entlud sich über dem jungen Adligen, der sich so unerwartet gegen seinesgleichen gewandt und ihn so schrecklich gedemütigt hatte.
Noch am Abend desselben Tages schrieb FitzGibbon einen geharnischten Brief an Lord Mountwalsh.
***
Georgiana konnte es nicht fassen. Sie war noch keinen Monat nach Dublin zurückgekehrt, da stand ihr Enkel vor der Tür. Sie hatte noch am selben Tag von seinem Universitätsverweis gehört und sich sofort zu Hercules begeben. Dort hatte sie jedoch nur ihre Schwiegertochter angetroffen und von ihr erfahren, dass Hercules soeben einen Brief FitzGibbons erhalten und sich wutschnaubend zur Universität begeben habe. Sie musste sich wohl oder übel bis zum folgenden Tag gedulden. Soeben hatte sie erneut zu Hercules’ Haus am St. Stephen’s Green aufbrechen wollen, da traf William ein und sagte, er habe kein Zuhause mehr.
FitzGibbon war außer sich gewesen, doch die Wut Hercules’ sprengte alle Grenzen. Der Vizekanzler glaubte, William habe seinen Stand verraten, doch Hercules sagte seinem Sohn ins Gesicht: »Du hast mich verraten.« FitzGibbon hatte ihn der Universität verwiesen, Hercules zeigte sich noch unversöhnlicher. »Du wirst dieses Haus nie mehr betreten. Von jetzt an bist du auf dich gestellt. Du bist nicht mehr mein Sohn.« Noch am selben Tag hatte Hercules den Anwalt der Familie beauftragt, zu prüfen, ob man William vom Erbe des Familientitels ausschließen könne. Kitty, seine Frau, liebte ihren Sohn zwar und hoffte auf eine Versöhnung, doch war sie genauso schockiert wie ihr Mann und fand, dass ein Vater berechtigt sei, so zu handeln. Williams jüngerer Bruder bekam zu hören, William habe ein schreckliches Verbrechen begangen, über das man nicht sprechen dürfe.
Also zog der junge Mann bei Georgiana ein. Zwar forderte Hercules Georgiana schriftlich auf, William wieder vor die Tür zu setzen, weil man ihr unangebrachtes Mitleid als Vertrauensbruch ihm gegenüber auslegen könnte, doch das kümmerte sie nicht. Sie freute sich sogar, dass ihr Enkel jetzt bei ihr wohnte. Sie mochte sein liebenswertes und aufrichtiges Wesen, das sie so sehr an ihren Mann erinnerte, während sein Gesicht an den alten Fortunatus gemahnte. Ihr war, als hätte sie in William gleichsam Mann und Schwiegervater wiederbekommen. Und sie spürte, dass auch der Junge an ihr hing. Über seine Gefühle gegenüber seinen Eltern sprach er selten.
»Ich mag meine Mutter«, sagte er einmal, »aber sie folgt in allem meinem Vater.« Und über Hercules: »Ich ehre ihn, weil er mein Vater ist, aber ich mag ihn nicht wirklich.« Georgiana wusste nicht, was sie dazu sagen sollte.
Es waren unsichere Zeiten. Immer mehr Soldaten bevölkerten die Straßen. In allen Stadtteilen bildeten sich Freiwilligenregimenter. Einige Anlieger des Merrion Square stellten eine eigene Truppe auf. Diese Männer waren schon recht betagt. Zwei von ihnen ließen sich gar von pflichtbewussten Dienern auf Sänften um den Platz tragen. Immerhin waren sie alle mit Degen oder Duellpistolen bewaffnet. Im Unterschied zu diesem eher komischen Häuflein wirkten die übrigen bewaffneten Patrouillen gefährlich.
Natürlich bereiteten ihre Gegner sich ebenfalls auf den Kampf vor. Die United Irishmen mochten unsichtbar sein, aber alle spürten ihre Gegenwart, auch Georgiana. Die Spannung wuchs. Und was hatte ihr eigensinniger Enkel vor? Er hatte FitzGibbon beleidigt, aber hatten die United Irishmen ihn dazu überredet, bei ihnen mitzumachen? Sie fragte ihn.
»Nein«, erwiderte er. »Aber ich würde ihnen gegen Leute wie Fitz-Gibbon und meinen Vater helfen.«
»Mach keine Dummheiten, William«, sagte Georgiana. »Ich verbiete es dir.« Darauf erwiderte er nichts.
Was sollte sie tun? Ihn in seinem Zimmer einsperren? Unmöglich. Zwei, drei Wochen vergingen. William verhielt sich ruhig und leistete ihr Gesellschaft. Manchmal ging er aus und blieb viele Stunden weg – um Freunde zu besuchen, wie er sagte. Sie hatte keine Ahnung, was er in dieser Zeit tat. In der dritten Maiwoche machte die Stadt den Eindruck eines waffenstarrenden Lagers kurz vor Beginn der Schlacht. Die Spannung war unerträglich.
Dann, eines Morgens, schien etwas verändert. Unablässig zogen Patrouillen durch die Stadt. Gegen Mittag hörte Georgiana, man habe einen Schmied bei der Herstellung von Piken erwischt. Den ganzen Tag und auch am folgenden
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