Die Rebellen von Irland
starken Armen hochhob und mit seinen lachenden Augen ansah, wusste sie, dass niemand in der ganzen Grafschaft Clare so mutig und stark war wie er.
Deshalb hatte Maureen kaum zugehört, als ihr Mutter sagte, sie habe Angst davor, was Mr Callan, der Agent, ihm antun könnte. Mein Vater, dachte sie bei sich, kann doch den kleinen Mr Callan mit einer Hand zerquetschen.
Es gab nicht viele Männer, die es gerne mit Eamonn Madden aufgenommen hätten. Obwohl der jüngste von vier Brüdern, war er der größte. Stolz waren sie alle. »Väterlicherseits sind wir mit den Maddens verwandt, die in vielen Teilen Irlands schöne Landgüter besitzen«, hatte ihr Vater einmal zu Maureen gesagt. »Mütterlicherseits stammen wir direkt von dem großen Brian Boru ab, der 1002 der erste unumstrittene irische Hochkönig geworden war und 1014 in der Schlacht von Clontarf den Tod fand. Natürlich«, wie er einräumte, »zusammen mit all den anderen O’Briens.«
Ein vornehmer O’Brien war der Besitzer des großen Schlosses und Landguts Dromoland in der fruchtbaren Parklandschaft bei Limerick, und mehrere O’Briens zählten zu den bekannten Grundbesitzern in Clare. Die Vorfahren ihrer Mutter mochten nur Pachtbauern gewesen sein, aber sie fühlten sich als Nachkommen dieser bedeutenden Sippe, auch wenn sie nur entfernt mit ihr verwandt waren.
Eamonn war nicht nur groß und stark, er konnte auch rennen wie ein Hirsch. Er spielte gern Hurling. Wie er mit einer einzigen Bewegung den Ball aus der Luft pflückte und damit losrannte, war herrlich anzuschauen. Außerdem war er »ein wunderbarer Tänzer«, wie sie von ihrer Mutter wusste.
Als sehr junger Mann, bevor er ihre Mutter heiratete, war Eamonn für alle möglichen verwegenen Streiche bekannt gewesen. Vor zwölf Jahren, als ein Gutsherr einer Witwe keinen Monat, nachdem ihr Mann gestorben war, damit gedroht hatte, sie aus ihrem Cottage zu vertreiben, waren in der Nacht auf seinem Land eine Scheune in Flammen aufgegangen und mehrere Stück Vieh verstümmelt worden. Für den Gutsherrn war eine Botschaft hinterlassen worden, und die Witwe hatte bleiben dürfen, ohne Pachtzins zu bezahlen. Die meisten Leute glaubten, dass Eamonn Madden hinter dem Anschlag steckte, und das hatte ihn in der Gegend zu so etwas wie einem Helden gemacht.
Ungerechtigkeiten gehörten seit jeher zum Leben auf dem Land. Manchmal lösten sie lokale Aufstände aus, häufiger jedoch blieb es bei vereinzelten Zwischenfällen. Zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten wurden die Männer, die sich zu Banden zusammenschlossen, unterschiedlich genannt, doch im Allgemeinen waren sie unter Namen wie Ribbonmen oder Whiteboys bekannt. Aber was immer Eamonn Madden früher getan haben mochte, jetzt lehnte er Gewalt ab.
»Es gibt bessere Wege, sich Recht zu verschaffen, als Vieh zu verstümmeln, Maureen«, pflegte er zu sagen. Obwohl sie erst neun war, vertrauten Vater und Mutter ihr manchmal ihre Gedanken an, weil sie die Älteste war. »Das hat uns Daniel O’Connell gezeigt.«
O’Connell, der Befreier, der bedeutendste Mann in Irland. Wenn ihr Vater ein Held war, dann war O’Connell ein Gott. Doch gerade O’Connells wegen war ihre Mutter jetzt so in Sorge.
»Diesmal ist er zu weit gegangen«, sagte sie zu Maureen. »Bete zu Gott, mein Kind, dass es uns nicht Haus und Hof kostet, und alles, was wir besitzen.«
Wenn Eamonn und seine Brüder stolz waren, dann nicht nur deshalb, weil sie sich wie viele Iren als Nachkommen der Prinzen verstanden. Sie waren es vor allem deshalb, weil die Familie früher viel mehr Land bewirtschaftet hatte. Vor drei Generationen war ihr Urgroßvater noch Pächter eines stattlichen Gutshofs gewesen, auch wenn der eigentliche Besitzer ein in England lebender Grundherr war. Später war dieser Pachtbesitz unter Söhnen aufgeteilt worden, von denen einige ausgewandert waren. In der letzten Generation hatte Eamonns Vater nur noch etwa zwanzig Morgen erhalten, und selbst die waren jetzt in vier Teile aufgeteilt. Doch nach Eamonns eigenem Empfinden vertrat er zumindest noch den Pachtbesitz seines Großvaters, an den sich einige ältere Nachbarn noch erinnern konnten. Und das Land, das er gepachtet hatte, betrachtete er insgeheim als sein eigenes.
Maureen liebte die Landschaft der Grafschaft Clare. Vom breiten Unterlauf des Shannon im Süden bis zu der eigenartigen, kargen Felslandschaft im Norden verströmte Clare einen ganz eigenen Zauber. Während unten im südlichen Munster die
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