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Die Rebellen von Irland

Die Rebellen von Irland

Titel: Die Rebellen von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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romantische Kelte der Literatur allemal ein Fortschritt gegenüber dem überlieferten Bild des Iren als einem im Moor hausenden Mörder und verschlagenen Papisten, diesem verunglimpfenden Zerrbild, das bis heute in den Karikaturen der Zeitschrift Punch oder auf den Seiten jeder englischen Zeitung weiterlebte.
    »Das Essen ist ausgezeichnet«, fügte Dudley Doyle mit einem Lächeln hinzu. Jedes Mal, wenn er die Mountwalshs nach Wexford begleitete, zauberte Küchenchef Gaston aus den Erzeugnissen des Landguts ein köstliches Mahl.
    Draußen brach die Nacht an. Bis zur magischen Zeit von Halloween, dem alten keltischen Festtag Samhain, waren es nur noch wenige Tage.
    Doch so sehr er Henrietta auch mochte, Doyle war nicht ihretwegen gekommen. Er spähte über den Tisch zu Stephen Smith. Er hatte noch nicht viel mit ihm gesprochen, da der junge Mann erst am Nachmittag angekommen war und müde ausgesehen hatte. William Mountwalsh hatte ihm gesagt: »Stephen Smith ist ein Mann, den Sie, glaube ich, näher kennen lernen sollten. Obwohl ich natürlich weiß, wie schwer Sie zufrieden zu stellen sind.«
    Während seine Vorfahren dem Kaufmannsberuf stets treu geblieben waren, hatte Dudley Doyle einen etwas anderen Weg eingeschlagen. Er sah nicht nur aus wie ein Country Gentleman, er sprach und dachte auch weitgehend wie einer. Er war Mitglied im Kildare Street Club, dem überwiegend Grundbesitzer angehörten. Doch obwohl er zwei Landgüter in Meath besaß, hatte er bis auf die Sommermonate immer in der Stadt gelebt, genauer gesagt in einem Haus an der See, das er sich in Sandymount im Süden der Dublin Bay gebaut hatte. Er nannte ein stattliches Vermögen sein eigen. Die vielen Häuser und Grundstücke in Dublin, die Barbara Doyle seinem Großvater vererbt hatte, befanden sich noch in seinem Besitz. Er war zur Hälfte an einer florierenden Weinhandlung beteiligt und bezog Pacht von drei großen Pubs. Und obwohl er in seinem Club, bei Pferderennen und als Gast in ihren Häusern mit der Gentry zusammenkam, zog er häufig die Gesellschaft von Wissenschaftlern und Gelehrten vor. Als Student am Trinity College hatte er eine klassische Bildung genossen. Doch seit vielen Jahren verbrachte er seine freie Zeit mit dem privaten Studium der politischen Ökonomie. Seit er zwei Jahre zuvor seine Frau verloren hatte, widmete er sich diesen Studien noch intensiver. Von Zeit zu Zeit, wenn er höflich darum gebeten wurde, hielt er sogar Vorträge über dieses Thema.
    Als er Stephen Smith nun genauer in Augenschein nahm, sah er viel, was ihm nicht gefiel. Eine gewisse Nachlässigkeit in der Kleidung. Er selbst war in dieser Beziehung sehr heikel. Schade. Der Earl hatte gesagt, er sei arm, und Armut war in Dudley Doyles Augen immer ein Makel. Außerdem sei er amüsant. Aber worin bestanden seine rhetorischen Waffen? Sprach der Earl von einer bloßen Rednergabe, der breiten Klinge des derben Humors, den Capricen des vulgären Klamauks, der wie ein Gladiatorennetz über die Zuhörer geworfen wurde? Oder von etwas Kultivierterem, dem Rapier der Schlagfertigkeit, den er selbst mit großem Geschick zu führen verstand und schnell und tödlich ins Ziel brachte? Es blieb abzuwarten.
    »Sie sind ein Mitstreiter Mr O’Connells, wie ich höre?«, fragte er Smith. »Darf ich daraus schließen, dass Sie ein Whig sind?«
    Seit seiner erstaunlichen Wahl in Clare vor fünfzehn Jahren hätte Daniel O’Connell seine Trümpfe kaum besser ausspielen können. Die englische Regierung war über das Ergebnis so schockiert gewesen, dass sie den Vierzig-Shilling-Freisassen, Katholiken wie Protestanten, unverzüglich das Wahlrecht entzog und die Qualifikation so heraufsetzte, dass fortan nur noch die besser gestellten Bauern, der verlässlichere Teil, wählen durften. Doch sie musste nachgeben und Katholiken ins Parlament einziehen lassen. Der als Befreier gefeierte O’Connell hatte sein Hauptziel erreicht. Und bald danach, als die liberalen Whigs an die Macht gekommen waren, hatte er seine Chance gesehen. Er scharte eine große Gefolgschaft von sechzig irischen Abgeordneten um sich und schmiedete mit Geschick eine fruchtbare Allianz mit den Whigs. Er umgarnte ihre Führer persönlich und kam ihnen bei knappen Abstimmungen mit seinen sechzig Anhängern zu Hilfe, wofür sie ihm sehr dankbar waren. Die irischen Katholiken gewannen an Einfluss. »Wir tun für euch alles, was wir können«, versprach die Regierung. 1838, ein Jahr nach der Thronbesteigung der jungen Königin

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