Die Rebellen von Irland
besonders verändert. Der Doktor stolzierte durch die Stadt wie ein Mann, den das Schicksal zu Großem auserkoren hatte. Viele Protestanten betrachteten ihn als einen Helden; für die meisten Katholiken war er eine Hassfigur. Männer wie Walsh und Doyle verachteten den Gelehrten, der sich in einen Demagogen verwandelt hatte, und die ärmeren Katholiken warfen ihm mordlustige Blicke zu. All dies genoss Pincher außerordentlich. Früher war er nie so sehr beachtet worden. Ganz Dublin, ja Irland, wusste, dass er seine Stimme erhoben hatte.
Sogar seine Schwester wusste es, denn er hatte ihr am Tag nach der Predigt in einem Brief davon berichtet. Sie hatte ihm zwar noch kein Wort der Anerkennung zukommen lassen, aber er erwartete täglich einen Brief von ihr.
Die Regierung in der Dubliner Burg hatte allerdings noch keine weiteren Schritte unternommen. Alle warteten gespannt auf den Ausgang der Verhandlungen in London.
In England war ein neues Parlament einberufen worden, und der König und seine Berater waren vollauf damit beschäftigt, den widerwilligen Mitgliedern Steuergelder abzupressen. Während seines Aufenthalts in England lernte Doyle sehr viel über den typisch englischen Charakter. Es war leicht, einige Gentlemen kennen zu lernen, die aus dem ganzen Land zur Parlamentsversammlung angereist waren. Manche waren solide Grundbesitzer und Berufstätige, wie sein Cousin Walsh. Sie waren zwar Protestanten, wirkten auf Doyle aber nicht besonders strenggläubig. Aber sie alle fürchteten die Macht der Katholiken und hatten Angst, diese wollten die Inquisition in England einführen. Die meisten glaubten außerdem felsenfest daran, dass die alteingesessenen Iren kaum besser als wilde Tiere waren. Doyle fand ihre Angst vor den Katholiken unnötig und ihre Meinung über die Iren lächerlich. Aber ihre politischen Sorgen konnte er durchaus nachvollziehen. Sie waren wütend darüber, dass George Villiers, Herzog von Buckingham, der leichtsinnige Günstling und leitende Minister des Königs, das Land in sinnlose Kriege verstrickte, und hatten Angst, dass König Karl I., der aus seiner Verachtung für das Parlament keinen Hehl machte und ständig versuchte, sich illegal zu bereichern, ihre Bürgerrechte als Engländer bedrohte. An ihrer Stelle hätte Doyle sich ebenfalls Sorgen darüber gemacht.
Aber bei einigen anderen Abgeordneten und noch stärker bei den Kaufleuten der Stadt begegnete Doyle viel radikaleren Einstellungen. Diese Männer waren Puritaner und Presbyterianer, kleideten sich ärmlich und betrachteten die unmoralische Welt mit strengster Missbilligung. Sie erinnerten ihn an Doktor Pincher, aber eigentlich waren sie noch schlimmer. Einmal erwähnte er zufällig, dass er auf der anderen Flussseite ein Theaterstück besucht hatte. Daraufhin fragte ihn ein Puritaner ernsthaft, ob er denn nicht um seine Seele fürchte. »Theater sind Orte für Faulpelze und Schurken«, erklärte ihm der Londoner. »Sie sollten alle geschlossen werden.«
Doyle erwiderte, das Stück sei auf seine Art sehr lehrreich gewesen. »Es war ein Stück von Shakespeare. Ihn würden Sie doch sicher nicht verbieten, oder?«
»Ihn als Allerersten«, antwortete der Puritaner.
Mit solchen Männern konnte Doyle überhaupt nichts anfangen.
»Sie hassen den König. Aber nicht, weil er ein Tyrann ist, sondern weil er kein Puritaner ist«, erklärte ihm ein Freund an der Börse. »Und sie werden immer zahlreicher.« Dann lächelte er. »Wenn Ihre Mission hier erfolgreich ist, Doyle, dann wird König Karl in Irland treuere Freunde haben als hier in England.« An diese Bemerkung sollte sich Doyle später noch oft erinnern.
Die Wochen vergingen. König Karl I. und das Parlament lagen sich weiterhin in den Haaren, und allmählich merkte Doyle, dass die Mitglieder des Kronrates immer stärker daran interessiert waren, sich mit der irischen Delegation zu einigen. Ihre Treffen fanden meist in einem Zimmer im alten Westminster-Palast oder im nahe gelegenen königlichen Palast von Whitehall statt. Oft aßen die irischen Abgesandten nach diesen Treffen noch gemeinsam in einer Taverne zu Abend. Die Worte des gemäßigten Doyle, der zwar der Kirche von Irland angehörte, aber katholischen Angelegenheiten stets mit großem Mitgefühl begegnete, wurden vom Kronrat mit stetig wachsendem Respekt aufgenommen. Eines Tages Ende März wollte er gerade das Beratungszimmer verlassen, da zog ihn ein älterer Gentleman mit weißem Bart zur Seite und begann eine private
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