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Die Rebellen von Irland

Die Rebellen von Irland

Titel: Die Rebellen von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Heuchelei, die er nicht verbergen musste, »habe ich ihn missverstanden. Aber so wurden seine Worte überall aufgefasst.«
    Hatte Pincher mit seinen Worten die Königin gemeint? Bestimmt nicht, daran zweifelte Doyle keinen Augenblick. Hatte er sie indirekt in seine Worte eingeschlossen? Vielleicht. Er hatte die Königin vielleicht nicht direkt als Hure bezeichnet, aber er verabscheute bestimmt ihren katholischen Glauben, war wütend über ihre Heirat mit dem König und sah sie als Vertreterin des Bösen. Hatte er seine Zuhörer zum Mord an der Königin aufgefordert? Natürlich nicht. Aber so konnte man seine Worte durchaus auslegen. Und wenn die königlichen Ratsherren Informationen über die Predigt einholten und all diese Worte bestätigt wurden, dann zweifelte Doyle nicht daran, wie König Karl I. die Sache einschätzen würde.
    An diesem Abend schrieb er hochzufrieden an seinen Cousin Orlando Walsh: »Ich glaube, Doktor Pincher hat ausgespielt.«

DER HEILIGE BRUNNEN
    Father Lawrence Walsh genoss jeden Augenblick, den er mit seinem Bruder und seiner Schwester verbringen durfte. Es war Herbst, seine liebste Jahreszeit, und goldene Blätter fielen auf den Pfad, auf dem die Familie an diesem Sonntagmorgen zur Burg von Malahide ritt.
    Orlando wurde von seiner Frau Mary begleitet, und Anne und Walter Smith hatten ihren Sohn Maurice mitgebracht. Als sie die kleine Burg der Talbots erreichten, hatten sich draußen schon einige Menschen versammelt, darunter auch die Dienstboten der Talbots und einige Dorfbewohner aus Malahide. Andere hatte einen weiteren Weg hinter sich: Zwei Familien des niederen Adels, die in der Gegend Anwesen besaßen, waren ebenfalls gekommen. Die Talbots begrüßten alle Gäste vor dem Haus, und als sie Lawrence erblickten, fragten sie ihn, ob er dem Priester assistieren wolle, der sich bereits im Haus befand. Aber Lawrence, der lieber bei seiner Familie sitzen wollte, lehnte freundlich ab. Bald danach gingen alle gemeinsam ins Haus. Schweigend stiegen sie die breite Treppe hinauf, die von der kleinen Eingangshalle in den ersten Stock führte.
    Hier oben befand sich das so genannte Eichenzimmer, das jeden Sonntag der katholischen Gemeinde der Gegend als Kapelle diente und gerade genug Platz für die Gläubigen bot. Der betagte Priester Father Luke erwartete sie bereits und begrüßte den Jesuiten mit einem Lächeln. Seit Lawrence ihn das letzte Mal gesehen hatte, war er hagerer geworden und ging ein wenig gebeugt. Der Duft von Weihrauch hing in der Luft. Durch das Fenster fiel zwar Licht in den Raum, dennoch waren auf den Beistelltischen Kerzen aufgestellt, deren warme Flammen die dunkle Holzvertäfelung glänzen ließen. Das schönste Objekt befand sich jedoch hinter dem kleinen Altar: eine große Eichentafel über dem offenen Kamin, die mit einer großartigen Halbrelief-Darstellung von Mariä Himmelfahrt geschmückt war. Lawrence sah das Kunstwerk voller Zuneigung an. Die Tafel hing schon an diesem Platz, seit er ein kleiner Junge gewesen war. Als sich alle versammelt hatten, kniete die Gemeinde nieder und versank in ein kurzes, stilles Gebet. Der alte Priester eröffnete die Messe.
    Warum waren diese Gottesdienste so besonders feierlich?, fragte sich Lawrence. Vielleicht weil sie sich – wie die Mitglieder der frühchristlichen Kirche – aus Angst vor Verfolgung heimlich treffen mussten.
    Er blickte auf Orlando und seine Frau, die beide ins Gebet versunken waren; auf Anne, deren Augen in letzter Zeit ein wenig düster und gehetzt blickten; auf ihren grauhaarigen Ehemann Walter. Und er dankte Gott für ihre stille, beständige Frömmigkeit. Sogar der junge Maurice, inzwischen achtzehn Jahre alt, war sicherlich dankbar für die liebevolle, fromme Erziehung, die er genossen hatte – auch wenn er nicht mit dem religiösen Eifer brannte, den Lawrence und Orlando in seinem Alter gezeigt hatten. Agnus dei … Ora pro nobis … Diese Worte trösteten seit mehr als einem Jahrtausend die westliche Christenheit. Der Priester erhob die Hostie, das Wunder der Messe war vollbracht. Ja, dachte Lawrence, die römische Kirche war wahrlich allumfassend. Ihre Säulen waren moralische Leitlinien, ihre Rundbögen boten jeder christlichen Familie Schutz. War man einmal in ihrem Schoß geborgen, gab es keinen Grund, ihn je wieder zu verlassen. Nach dem Gottesdienst erhob er sich mit einem tiefen Gefühl des Friedens wieder von den Knien. Die Gemeinde verweilte noch eine Zeit lang im Eichenzimmer. Father Luke sprach

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