Die Rebellen von Irland
noch mit jeder Familie einzeln ein paar Worte. Der alte Priester freute sich sehr darüber, Anne wiederzusehen, die schon lange nicht mehr in Malahide gewesen war. Als er hörte, dass auch ihre jüngste Tochter im vergangenen Sommer geheiratet hatte, sagte er schmunzelnd zu Maurice: »Dann bleibt ja nur noch dieser junge Kerl übrig, und der muss sich den Kopf ja noch lange nicht übers Heiraten zerbrechen.« Mit besonderer Wärme begrüßte er Orlando und Mary. Es war offensichtlich, dass er das fromme Paar sehr ins Herz geschlossen hatte.
Die beiden waren immer noch kinderlos. Lawrence wäre es nie in den Sinn gekommen, an Gottes Ratschluss zu zweifeln, aber er wunderte sich trotzdem sehr darüber, dass sein Bruder und dessen Frau noch nicht mit einem Kind gesegnet waren, und es betrübte ihn. Anfangs hatte er sich noch keine Sorgen darüber gemacht. Als Anne vor zehn Jahren auf dem Weg nach Portmarnock das Thema zum ersten Mal angeschnitten hatte, glaubte er noch, die beiden müssten nur ein wenig Geduld haben. Aber die Jahre vergingen, ohne dass ihnen ein Kind geschenkt wurde. Er fragte sich, warum Gott es für angebracht hielt, diesem Paar seinen Segen zu verweigern. Dass er sie damit für irgendeine Verfehlung bestrafen wollte, schien ausgeschlossen. Beide waren tiefgläubig und einander zärtlich zugetan. Ihre Kinderlosigkeit hatte ihren Glauben sogar noch verstärkt.
Lawrence war seiner Schwägerin in herzlicher Zuneigung verbunden. Früher war sie ein hübsches, braunhaariges Mädchen mit einer Stupsnase und weichen Wangen gewesen. Diese Wangen waren nun rau und gerötet, und die Nase wirkte irgendwie formlos. Ihre braunen, leicht hervorstehenden Augen blickten sehr ernsthaft in die Welt. Sie war eine stille Seele, die ihren Haushalt tadellos führte und ihre Dienstboten gut behandelte. Ihr Ehemann hatte alles, was er sich von einer guten Ehefrau wünschen konnte, und er verehrte sie so, wie sich das für einen guten Ehemann gehörte. Aber unter ihrer ruhigen, gelassenen Oberfläche musste sie furchtbar leiden. Orlando hatte zwar nie darüber gesprochen, aber Lawrence wusste sehr genau, welchen Schmerz ihm seine Kinderlosigkeit bereitete. Sein Glaube gebot ihm zwar, den Willen Gottes zu akzeptieren, und als frommer Mann tat er das bestimmt auch. Jedenfalls mit dem Verstand. Aber in seinem tiefsten Herzen nagte die Sehnsucht nach einer Familie, nach einem Erben an Orlando. Und vor allem natürlich der Wunsch, den Schwur zu erfüllen, den er vor seinem Vater geleistet hatte. »Er geht mindestens einmal die Woche alleine nach Portmarnock«, hatte Anne einmal Lawrence anvertraut. »Mary weiß nichts davon, aber mir hat er es gesagt.« Lawrence konnte es seinem Bruder nicht verdenken, auch wenn er selbst von solchem Aberglauben überhaupt nichts hielt. »Nun ja«, hatte er also freundlich gesagt, »dort kann man schließlich genauso gut beten wie an jedem anderen Ort.« Orlando verbarg seine Verzweiflung zwar aus Rücksicht sorgfältig vor Mary, aber sie wusste sicherlich, wie es um ihn stand. Die arme Frau spürte schließlich den gleichen Schmerz und suchte die Schuld wahrscheinlich bei sich. Lieber Gott, dachte der Jesuit. Wenn ich daran glauben würde, dass es wirkt, dann würde ich sogar selbst an Vaters altem Brunnen auf die Knie fallen und für die beiden beten.
Als die Gläubigen das Haus verließen und in die frische Luft hinaustraten, strahlte die Sonne und die goldenen Blätter an den Bäumen im ark leuchteten vor dem tiefblauen Himmel. Lawrence war gerade in den Sattel gestiegen, da bedeutete ihm Orlando, dass er sich mit ihm unter vier Augen unterhalten wolle.
Auf dem Ritt zurück führten Anne und Walter den kleinen Zug an, gefolgt von Mary und Maurice, der sich angeregt mit seiner Tante unterhielt. Orlando und Lawrence folgten in einigem Abstand nach. Das erste Stück Wegs ritten sie schweigend dahin. Orlando wirkte gedankenverloren, und Lawrence wollte ihn nicht stören. Er wartete darauf, dass sein Bruder das Gespräch eröffnete und nahm an, dass er mit ihm über die politische Situation sprechen wollte.
Nach Ansicht des Jesuiten hatte sich nicht viel verändert. Aus England war zwar die überraschende Neuigkeit eingetroffen, dass Buckingham, der Günstling des Königs, einem Attentat zum Opfer gefallen war, aber darüber war niemand sonderlich betrübt. Wenigstens war die englische Außenpolitik seitdem wieder vernünftiger geworden. In Dublin hatten die Walshs den tiefen Fall von Doktor
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