Die Rebellen von Irland
Pincher miterleben dürfen. Cousin Doyle hatte ihnen genüsslich in allen Einzelheiten davon berichtet, wie er den Ruf des Predigers während seiner Audienz beim König ruiniert hatte. Nachdem die Delegation aus London zurückgekehrt war, hatte die Krone Irland die Gnadenerweise zugesagt. Also hatten die Iren mit großen Schwierigkeiten das Geld für den König aufgebracht. Aber die versprochenen Erleichterungen für die Katholiken waren ausgeblieben, und ein paar Jahre lang hatten die englischen Protestanten die Iren sogar wieder stärker verfolgt. Ein Lichtstreif zeigte sich erst am Horizont, als der König seinen Vertrauensmann und Lieutenant Wentworth, einen mächtigen, durchsetzungsstarken Mann, als Gouverneur nach Irland geschickt hatte. Wentworth war Anhänger der formellen, zeremoniellen anglikanischen Kirche und hatte die puritanischen Nonkonformisten schnell in ihre Schranken verwiesen. »Ich glaube, so zeigt uns der König, dass er wirklich ein Freund der Katholiken ist«, hatte Orlando damals zu Lawrence gesagt. Aber Lawrence sah keinen Grund, seine ursprüngliche Einschätzung der Lage zu revidieren. »Wentworth ist der Vertraute von König Karl, dem er treu ergeben ist. Also hat er nur ein Ziel: Er will die königliche Macht stärken. Um das zu erreichen, wird er Katholiken und Protestanten völlig gleichberechtigt unterstützen oder angreifen. Mehr steckt nicht dahinter.«
Vor kurzem war eine neue protestantische Plantation in Connacht, im Westen von Irland, angekündigt worden. »Es hat sich nichts verändert«, sagte Lawrence.
Orlando erwiderte: »Aber wenigstens dürfen Katholiken weiterhin ihre Religion ausüben, ohne verfolgt zu werden.«
Lawrence, der ein politisches Gespräch erwartet hatte, war also sehr überrascht, als Orlando sich, gerade als sie das Land der Talbots verließen, zu ihm umdrehte und sagte:
»Ich mache mir Sorgen um Anne.«
»Um Anne?«
Lawrence stutzte. »Sie sah heute zwar ein wenig blass aus, wirkte aber recht zufrieden. Ist sie etwa krank?«
»Nicht ganz.« Orlando schwieg einen Augenblick. »Es ist eigentlich noch schlimmer.« Er holte tief Luft. »Ich glaube, sie ist verliebt.«
»Verliebt?« Vor lauter Überraschung stieß Lawrence das Wort laut hervor. Schnell vergewisserte er sich, dass die Reiter vor ihnen ihn nicht gehört hatten. »In wen denn?«
»Brian O’Byrne.«
»Bist du dir ganz sicher?«
»Ja.«
»Aber sie würde doch sicher niemals …«
»Doch«, sagte Orlando. »Das würde sie.«
***
Jeremiah Tidy sah seinen Sohn Faithful voller Stolz an. Der Knabe war zu einem jungen Mann herangewachsen und hatte sich prächtig entwickelt. »Er ist größer als ich«, sagte Tidy oft freudig zu seiner Frau. Im Gegensatz zu seinem Vater hatte Faithful dunkles, braunes Haar und weit auseinander liegende Augen mit wachem, intelligentem Blick.
Er war auch ein eifriger Schüler, obwohl er anfangs nur widerwillig gelernt hatte. »Ich könnte doch Geld verdienen, statt die Nase in Bücher zu stecken«, hatte er sich oft beschwert. Und Tidys Frau unterstützte ihn dabei.
»Sieh dir doch nur an, was all diese Gelehrsamkeit dem armen Doktor Pincher angetan hat«, sagte sie manchmal. »Wenn er nicht so viel studiert hätte, dann wäre er sicher verheiratet.« Im Stillen stimmte ihr Tidy sogar zu, aber er ließ nicht zu, dass solche Bemerkungen seinen Sohn von dessen Aufgabe ablenkten. »Es geht um die Zukunft unseres Sohnes«, rügte er sie. Er hatte einfach ehrgeizigere Visionen als seine Frau. Und jetzt war der Junge seiner Meinung nach endlich bereit dafür. Es war der Augenblick gekommen, auf den er so viele Jahre gewartet hatte. Nach dem Morgengottesdienst eröffnete er seiner Frau: »Es wird Zeit, dass ich ihn zu Doktor Pincher bringe. Bitte arrangiere das für heute.«
Doktor Pincher freute sich über Mistress Tidys Besuch. Seit einiger Zeit fühlte er sich nicht sehr gut. Bis vor kurzem war ihm gar nicht bewusst gewesen, dass er allmählich alt wurde. Aber seine Zahnschmerzen hatten ihn daran erinnert. Viele seiner Zeitgenossen ruinierten sich die Zähne durch Tabak und Melasse aus der Neuen Welt, aber Doktor Pinchers moralische Strenge hatte ihn vor diesen Lastern geschützt. Daher hatte er noch alle Zähne. Sie waren lang und hatten die Farbe alten Elfenbeins. Aber vor einem Monat hatte er plötzlich rasende Zahnschmerzen bekommen und musste sich einen Zahn ziehen lassen. Nun klaffte eine Lücke in seinem rechten Unterkiefer, die er jeden Morgen
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