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Die Rebellin

Die Rebellin

Titel: Die Rebellin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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dieser junge Mann vor ihm, so habe er selbst einst vor dem Herzog von Devonshire gestanden, vor vielen, vielen Jahren. Er sei darum entschlossen, ihn nach Kräften zu fördern und zu seinem Assistenten zu machen. Auf diese Weise wolle er die Chance weitergeben, die er selbst in seiner Jugend bekommen hatte. Emily wusste nicht, worüber sie sich mehr freute:über die Absicht ihres Vaters oder über Victors Tat. Denn dass es sich bei dem jungen Glaser, der den Streik verhindert hatte, um Victor handelte, daran hatte sie keinen Zweifel.
    Suchend schaute sie sich um. Wo sonst die Eisenträger lagen, auf denen er früher immer seine Pause gemacht hatte, stand jetzt eine Dampfmaschine. Nervös zupfte Emily sich am Ohr. Jeden Moment konnte ihr Verlobter auftauchen – auch wenn sie nicht mit ihm verabredet war. Durch ihre Handschuhe spürte sie, dass ihre Ohrringe fehlten, die Türkise, die Cole ihr zu Weihnachten geschenkt hatte. Sie hatte sie ihrer Mutter im Zug gegeben, kurz bevor sie ausgestiegen waren, um sich zu frisieren, und vergessen, sie wieder anzustecken. Trotz ihrer pelzgefütterten Jacke und ihrer Lammfellmütze fror sie wie ein Schneider.
    »Emily?«
    »Victor!« Sie war vor Schreck zusammengezuckt, als er plötzlich vor ihr stand.
    »Hast du dich verlaufen?«, fragte er und wischte sich über die Stirn. Sein Gesicht war von der Kälte ganz rot. »Du warst ja schon eine Ewigkeit nicht mehr hier.«
    Ihr Herz fing an zu klopfen wie beim Aufstieg im Fesselballon. Sie war gekommen, um sich bei ihm zu bedanken, wollte ihn fragen, warum er nach der Landung plötzlich verschwunden war, und sich gleichzeitig bei ihm entschuldigen, dass sie sich nicht mehr gemeldet hatte, bevor sie nach Chatsworth abgereist war – doch egal, was ihr einfiel, für alles fehlten ihr die richtigen Worte. Sie kam sich so entsetzlich dämlich vor. In ihrer Verwirrung sagte sie schließlich: »Ich… ich brauche deinen Rat.«
    »Meinen Rat? Wofür?«
    Sie zog einen Handschuh aus und öffnete ihre Mappe, um ihm ein paar Zeichnungen zu zeigen: Ansichten vom Kristallpalast, Baupläne, Illustrationen mit Tieren und Pflanzen.
    »Was meinst du, kann man die so drucken?«
    »Wofür?«
    »Den Ausstellungskatalog. Damit die Besucher später eine Erinnerung haben.«
    »Und die Pflanzen hast du schon im Voraus gemalt?«, fragte er spöttisch, als er die Abbildung einer Lilie sah.
    »Nur die, die wir auch in Chatsworth haben. Was ich dir eigentlich zeigen wollte, ist ein Porträt von Prinz Albert, nach einer Fotografie. Einen Augenblick…«
    Eilig blätterte sie in der Mappe – da fiel eine Zeichnung zu Boden. Victor bückte sich und hob sie auf.
    »Aber – das bin ja ich…?«, sagte er verwundert.
    »Die… die ist nur aus Versehen da hineingeraten.«
    Sie streckte die Hand nach dem Blatt aus, doch er war ganz in die Betrachtung seines Konterfeis versunken. Emily war die Entdeckung so peinlich, dass sie am liebsten davongerannt wäre. Wenn irgendein Mensch dieses Bild bestimmt nicht sehen sollte, dann war es Victor. Sie hatte es vor zwei Tagen am Seerosenteich gezeichnet, nachdem sie den Brief ihres Vaters gelesen hatte, ohne sich auch nur das Geringste dabei zu denken. Es zeigte Victor, wie er auf den Eisenträgern saß und nach ihr Ausschau hielt.
    »Sehen meine Augen wirklich so aus?«, fragte er.
    Jetzt schaute er sie an, doch machte er immer noch keine Anstalten, ihr die Zeichnung zurückzugeben. Der Spott war aus seinem Gesicht verschwunden, aus seiner Miene sprach nur ernsthaftes Staunen, während sein Atem in weißen Wölkchen aus seinem Mund stob.
    Plötzlich wurde es Emily ganz warm.
    »Ja«, sagte sie leise, »genauso sehen deine Augen aus.« Sie beugte sich vor und gab ihm einen Kuss auf die Wange. »Danke.«
    »Wofür… bedankst du dich?«, fragte er.
    »Dafür, dass du uns geholfen hast. Ich weiß, was du getan hast. Du hast den Streik verhindert.«
    »Wie kommst du denn darauf?«
    »Leugnen ist zwecklos, Victor, mein Vater hat mir geschrieben.
    Ein junger Glaser hat die Leute zur Vernunft gebracht. Er hatte eine Narbe auf der Stirn, genauso wie du.«
    Sie hob die Hand, um ihn an der Stelle zu berühren. Doch er machte einen Schritt zurück, wie ein Pferd, das vor einem Vogel scheut.
    »Was für eine Narbe? Da ist keine Narbe!«, sagte er und zeigte ihr das Bild, das sie von ihm gemacht hatte. »Außerdem, ich bin mir gar nicht sicher, ob es richtig von uns war, den Streik zu beenden. Vielleicht war es ein Riesenfehler.«
    Emily

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