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Die Rebellin

Die Rebellin

Titel: Die Rebellin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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einzubeziehen, immerhin sehr beeindruckt gezeigt. »Einverstanden«, sagte Paxton. »Ich werde mich bei der Königlichen Kommission für die Gründung eines zentralen Arbeiter-komitees einsetzen. Außerdem bin ich gerne bereit, für die Veranstaltung selbst freien Eintritt zu empfehlen. Jeder Engländer, egal wie arm oder reich, soll die Möglichkeit haben, die Ausstellung zu besuchen. Sobald das Arbeiterkomitee gegründet ist, kann es Vereinbarungen mit den Eisenbahngesellschaften treffen, um Gruppenreisen zu organisieren, mit günstigen Unterkünften in London und Führungen beim Besuch der Ausstellung. Ist das in Ihrem Sinn?«
    Der junge Streikführer nickte. »Ja, das wäre ein erster Schritt.«
    »So – und was wäre der zweite?«, fragte Paxton ungeduldig.
    »Aber ich warne Sie! Werden Sie nicht unverschämt und überspannen den Bogen!«
    »Ich glaube nicht, dass ich das tue«, erwiderte der andere ganz ruhig. »Aber es ist doch so – Sie und die Firma Fox & Henderson und die Eisenbahngesellschaften und die Königliche Kommission und alle, die sonst noch an der Weltausstellung irgendwie beteiligt sind, wollen etwas daran verdienen. Und genau das wollen wir auch.«
    »Das tut ihr doch schon! Ihr kriegt doch euren Lohn! Drei bis fünf Schilling am Tag. Das zahlt sonst niemand!«
    »Stimmt – aber was ist, wenn einer von uns versucht, selber ein Geschäft auf der Ausstellung zu machen? Wird man ihm das erlauben?«
    »Ich habe keine Ahnung, was Sie meinen.«
    Der Streikführer dachte kurz nach, dann sagte er: »Wenn zum Beispiel ein Arbeiter, oder vielleicht sogar nur ein kleiner Lehrjunge, auf die Idee kommt, vor einem Besuchereingang einen Stand aufzumachen, auf eigene Kosten, um irgendwas zu verkaufen, Andenken oder Getränke oder etwas zu essen – gebratenen Fisch zum Beispiel… Was wäre dann?«
    Paxton war einen Augenblick so verblüfft, dass ihm keine Antwort darauf einfiel. Was für ein seltsames Begehren… Doch je länger er darüber nachdachte – warum eigentlich nicht? Gegen die Idee war nichts einzuwenden, im Gegenteil, sie gefiel ihm, sehr sogar, sie hätte von ihm selbst sein können!
    »Also gut«, lachte Paxton, »wenn jemand von euch eine Fischbude aufmachen will – ich habe nichts dagegen. Sind wir uns dann einig?«
    Der andere erwiderte seinen Blick. »Und der Stückakkord wird aufgehoben?«
    Paxton reichte ihm die Hand. »Mein Ehrenwort.«
    »Und die Soldaten?«
    Paxton gab dem Hauptmann ein Zeichen, seine Leute abzuziehen.
    »Ganze Kompanie rechts schwenkt marsch!«
    Als die Soldaten abrückten, schlug der junge Streikführer endlich ein. Unter dem Jubel der Arbeiter schüttelten die zwei einander die Hände. Paxton schaute seinem Gegenüber ins Gesicht. Auf der Stirn des Mannes, direkt unter dem Haaransatz, zuckte eine Narbe, wie von einer alten Verletzung.
    »Woher kenne ich Sie nur?«, fragte er. »Irgendwie kommen Sie mir bekannt vor.«
    »Sie erinnern sich an mich?«, fragte der andere mit unsicherem Lächeln. »Wirklich? Nach so langer Zeit?«

10
     
    Es war ein klirrend kalter Wintertag im Hyde Park. Wie ein Gebäude aus einer anderen Welt erstrahlte der Pavillon in der Wintersonne, ein einziger riesiger Schneekristall. Während unter dem Richtkranz, der seit drei Wochen das Transept bekrönte, die letzte Arbeiten vollendet wurden, trafen in den weiten, kalten Hallen bereits die ersten Ausstellungsstücke ein: geheimnisvoll duftende Pakete aus dem Morgenland, ausgestopfte Bären und Wölfe aus Russland, schwarz glänzende Kanonen aus Deutschland…
    Die Sirene läutete gerade zur Mittagspause, als Emily das Gelände betrat. Sie war mit dem Frühzug aus Chatsworth gekommen, zusammen mit ihrer Mutter, um am Nachmittag ihre Eltern zu einem Empfang bei Lord Granville zu begleiten, dem stellvertretenden Vorsitzenden der Königlichen Kommission. Beim Abschied am Bahnhof hatte ihre Mutter sich darüber lustig gemacht, dass Emily vorher noch zur Baustelle wollte – ob sie solche Sehnsucht nach ihrem Verlobten habe? Emily hatte gesagt, sie wolle Cole die Zeichnungen zeigen, die sie in Chatsworth für den Katalog vorbereitet hatte, und das war nicht einmal gelogen.
    Aber war das der wirkliche Grund, weshalb sie gekommen war? Ihr Vater hatte in seinem letzten Brief einen jungen Glaser erwähnt, dem allein es zu verdanken sei, dass der drohende Streik hatte abgewendet werden können. Paxton schrieb mit einer solchen Begeisterung, als wäre er seinem eigenen Nachfolger begegnet: So wie

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