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Die Rebellin

Die Rebellin

Titel: Die Rebellin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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nach Manchester, weil ich hier ersticke, weil ich es hier nicht mehr aushalte. Ich fliehe – verstehst du?Am liebsten würde ich bis ans Ende der Welt verschwinden, genauso wie du, damit ich nicht länger hier sein muss.«
    Victor zog sie in die Kammer und machte die Tür hinter ihr zu.
    »Was ist los?«, fragte er. »Warum willst du fort? Ausgerechnet jetzt, wo dein Traum in Erfüllung geht? Die Königin eröffnet in diesem Moment die Weltausstellung, die Zeitungen sind voll davon, von
deinem
Paradies. Und du willst verschwinden? Das begreife ich nicht.«
    Er rückte den Stuhl vom Tisch und forderte sie auf, sich zu setzen. Emily blickte ihn unsicher an, dann nahm sie Platz und begann zu reden, zögernd zuerst, immer wieder stockend, und manchmal klang ihre Stimme, als müsste sie Tränen unterdrücken, während sie Victor von einem Mann erzählte, mit dem sie verlobt gewesen war, heimlich, weil die Öffentlichkeit nichts davon wissen durfte, von ihrer fürchterlichen Entdeckung, die sie in der Wohnung ebendieses Mannes hatte machen müssen, und von dem abscheulichen Geschäft, das ihre Eltern mit ihm vereinbart hatten, ein Geschäft, das auf einer so unsäglichen Vereinbarung beruhte, dass Emily noch jetzt, da sie davon erzählte, daran würgte, als säße eine Kröte in ihrer Kehle.
    »Was haben sie nur mit dir gemacht?«, fragte Victor, wie betäubt von ihrem Bericht, als Emily endlich schwieg.
    Mit dem Rücken zu ihm saß sie da auf ihrem Stuhl, den Blick auf die kleine Luke im Dach gerichtet. Und während er versuchte, die fürchterlichen Dinge zu begreifen, die sie ihm gesagt hatte, diese widerlichen und hinterhältigen Gemeinheiten, vor denen selbst die abgebrühtesten Zuhälter Londons ausspucken würden, dämmerte ihm eine Erkenntnis: Die Menschen, die Emily all diese Dinge angetan hatten, waren dieselben, die auch Toby auf dem Gewissen hatten … Mr. Joseph Paxton und seine Frau Sarah und wer noch immer an ihren Geschäften beteiligt gewesen war, hatten die Wachmannschaften am Bahnhof aufgestellt und den Befehl gegeben, auf jeden zu schießen, der ihr Eigentumbedrohte. Und wie ihr Eigentum, als wäre auch sie eine Ware, aus der es möglichst großen Profit zu ziehen galt, hatten sie Emily an diesen Kerl verschachert, der auf den Tod seiner eigenen Frau spekulierte, um die Tochter des berühmten Joseph Paxton heiraten zu können. Eine Frage drängte sich Victor auf: Musste er Emily nicht sagen, was er wusste? Er suchte nach den richtigen Worten, um sie über die Wahrheit aufzuklären, die er ihr so lange vorenthalten hatte. Doch als er ihr Gesicht sah, den Schmerz, der sich darin spiegelte, fragte er nur:
    »Warum hast du mir nie gesagt, dass du verlobt warst?«
    »Ich dachte, es wäre nicht so wichtig«, erwiderte sie so leise, dass er sie kaum verstand.
    »Nicht so wichtig? Wie kannst du das nur glauben!«
    »Du hast ja Recht«, flüsterte sie, »ich habe es ja auch gar nicht geglaubt. Der wirkliche Grund war, dass ich nicht wusste, was passieren würde, wenn ich dir die Wahrheit sagte. Ich hoffte so sehr, wir könnten Freunde sein, trotz meiner Verlobung. Ich wollte dich nicht verletzen, oder vielmehr, ich wollte dich nicht verlieren – ich hatte Angst, du würdest nichts mehr von mir wissen wollen, wenn ich es dir sagte. Oder – ach, ich weiß auch nicht … Ich war so verwirrt, ich wusste nicht mehr ein noch aus …«
    Sie wandte sich zu ihm herum. Er sah die Tränen in ihren Augen, und auf einmal hatte er nur noch das Bedürfnis, sie in den Arm zu nehmen, um sie vor diesen Menschen zu beschützen.
    Doch er blieb vor ihr stehen, ohne sich zu rühren. Er hatte Emily einmal geküsst, und danach war alles nur noch schlimmer geworden.
    »Warum bist du damals nicht zum Drury-Lane-Theater gekommen?«, fragte er, »zu unserer letzten Verabredung? Ich hatte solche Angst, dass du die Komplizin deines Vaters bist, dass du nur den Streik verhindern wolltest, in seinem Auftrag, um den Bau zu retten, und als du dann nicht da warst …«
    Emily wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. »Ich wollte mit Cole sprechen, wegen dir. Er sollte dafür sorgen, dass sie dichwieder einstellten. Das ging nur an diesem Morgen, ich hatte erst in der Nacht erfahren, dass mein Vater dich entlassen hatte, und Cole musste am selben Tag noch verreisen. Ich wollte, dass er dich zum Vorsitzenden des Arbeiterkomitees vorschlug, aber dann, als ich ihn in seiner Wohnung aufsuchte, sah ich seine Frau und seine Kinder …«
    Victor

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