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Die Rebellin

Die Rebellin

Titel: Die Rebellin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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um den Hals, drückte ihn an sich und bedeckte sein Gesicht mit Küssen.
    »Auf Wiedersehen, Papa«, stammelte sie. »Leb wohl. Und alles, alles, alles Gute …«
    »Aber, Emily – was hast du denn?« Behutsam machte er sich aus der Umarmung frei. »Du tust ja, als würde ich ans andere Ende der Welt reisen. Ich bin doch in zwei Tagen schon wieder da.«
    Zärtlich tätschelte er ihre Wange. Der Butler, der schon eine Weile mit einer silbernen Schale in der Tür wartete, räusperte sich.
    »Die Post, Sir.«
    »Dafür habe ich jetzt keine Zeit.« Paxton küsste Emily auf die Stirn, warf seiner Frau und seinem Sohn eine Kusshand zu und wandte sich zur Tür. »Legen Sie die Briefe auf meinen Schreibtisch, Jonathan«, sagte er im Hinausgehen. »Ich kümmere mich später darum.«

4
     
    War das ein Hoffnungsschimmer? Vielleicht sogar eine wirkliche Chance?
    Die Mitglieder der internationalen Jury, die Kandidaten für mögliche Prämierungen in Augenschein nahmen, hatten auf ihrem Rundgang durch den Kristallpalast die französische Abteilung hinter sich gelassen und besichtigten gerade die Stände des deutschen Zollvereins, wo an die Stelle roter Samtvorhänge, blitzender Messingbeschläge und gläserner Vitrinen grobes Packleinen und ungehobeltes Tannenholz traten, als Henry Cole ein so genannter Respirator ins Auge fiel, ein in Berlin patentiertes Atemgerät, das angeblich bei der Behandlung von Tuberkulose hervorragende Wirkung zeigte.
    »Dieser Apparat«, erklärte der Ingenieur am Stand, »hält nicht nur Luftstaub und schädliche Gase von den Atmungsorganen fern, sondern sorgt bei Kälte auch für die Erwärmung der Atemluft. Vor allem aber kann die Watte in dem Filtergehäuse mit Arzneimitteln befeuchtet werden, sodass die Zufuhr permanent gewährleistet ist, buchstäblich mit jedem Atemzug.«
    Henry Cole zückte sein Portemonnaie. »Was kostet der Apparat?«, fragte er.
    »Tut mir Leid, Sir, aber unsere Exponate sind unverkäuflich.«
    »Und wenn ich Sie darum bitte? Es ist von großer Wichtigkeit. Sie müssen wissen, meine Frau … – Ja, was ist denn?«
    Ein Laufbursche stand vor ihm und reichte ihm ein Kuvert.
    »Das soll ich Ihnen persönlich geben. Sie möchten es bitte gleich lesen.«
    Cole riss das Kuvert auf und überflog die Zeilen. Als er die Unterschrift las, atmete er tief durch. Das passte ihm jetzt ganz und gar nicht. Er steckte den Brief ein und wandte sich wieder an den deutschen Ingenieur.
    »Was muss ich tun, um ein solches Gerät zu erwerben?«
    »Ich kann Ihnen wirklich nicht helfen. Aber wenn Sie mit dem Erfinder selbst sprechen möchten – Dr. Jeffrath wird am vorletzten Tag der Ausstellung noch einmal zu einer Demonstration hier am Stand sein, bevor er nach Deutschland zurückkehrt. Ich kann Ihren Besuch gerne vormerken.«
    Zehn Minuten später saß Cole in seinem Wagen. Zum Glück verfügte er inzwischen über ein eigenes Cabriolet, ein Zeichen der Anerkennung, die das Königliche Komitee ihm endlich zollte. Sarah Paxton hatte ihn zu sich gerufen, sie müsse ihn sprechen – dringend … Cole schloss die Augen, um sich innerlich auf die Unterredung vorzubereiten, die nur unangenehm werden konnte. Sarah Paxton hatte geschrieben, dass es um Emily ging.
    Sollte er sagen, dass er sie gesehen hatte? Zusammen mit demselben Kerl, der für sie bereits als Bote im Büro des
Northern Star
gewesen war?
    Sarah Paxton empfing ihn im Büro ihres Mannes. Cole nahm es verwundert zur Kenntnis. Doch noch ungewohnter als der Ort, den sie für die Unterredung gewählt hatte, war ihre äußere Erscheinung. Sie hatte offenbar vergessen, die Manschettenknöpfe ihres Kleides zu schließen, so dass die Ärmel lose um ihre Handgelenke flatterten, sie trug weder Schmuck noch Rouge, und ihr kastanienbraunes Haar war nicht frisiert. Noch nie hatte er sie in einem so derangierten Zustand gesehen.
    »Ich brauche Ihre Hilfe«, sagte sie, ohne ihm einen Platz anzubieten.
    »Bitte verfügen Sie über mich.«
    »Emily ist heute Morgen nach Chatsworth gefahren. Das heißt«, korrigierte sie sich, »sie hat behauptet, das zu tun. Tatsächlich habe ich aber allen Grund zu der Annahme, dass sie mich belogen hat.
    »Belogen? Das … das kann ich mir nicht vorstellen.«
    »Doch, Mr. Cole. Leider.« Sie nahm einen Umschlag vom Schreibtisch ihres Mannes. »Als Emily aus dem Haus war, habeich die Post durchgesehen und diesen Brief hier gefunden. Er stammt von einem Mr. Ernest Jones aus Manchester.«
    Cole hatte Mühe, seine Haltung

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