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Die Rebellin

Die Rebellin

Titel: Die Rebellin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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hören konnte. »Wenn der explodiert, fliegt doch das ganze Gebäude in die Luft.«
    »Nur wenn ein Überdruck entsteht. Aber um das zu verhindern, gibt es ja die Ventile. Übrigens«, sagte er dann wieder lauter, »willst du mal unser Flugblatt sehen?«
    »Ist es denn schon fertig?«
    »Ja, seit heute Mittag.« Victor ließ ihre Hand los und nahm ein Exemplar von dem Stapel, der neben ihm auf einem Stuhl lag.
    »Na, wie gefällt es dir?«
    Ungeduldig schaute er zu, wie Emily das Blatt auseinander faltete und es mit gerunzelter Stirn betrachtete. Auf diesen Augenblick hatte er sich gefreut, seit er seinen Tee bestellt hatte.
    »Also,
gut
ist das nicht gerade«, sagte sie schließlich.
    »Nicht?« Victor war enttäuscht. »Warum nicht?«
    »Das kann ich dir sagen«, erwiderte Emily mit einem Grinsen. »Weil ›gut‹ gar kein Ausdruck dafür ist. Das ist besser als die Titelseite der
Times!«
Sie strich mit dem Handrücken überdas Blatt wie über einen kostbaren Stoff. Dann wurde ihr Gesicht ernst, und sie begann zu lesen:
»… da wachsen Rebellion und Verbrechen heran, mit derselben Gewissheit, wie Wasser bei zweihundertundzwölf Grad Hitze zu sprudeln beginnt. Dabei wäre das Wunder möglich gewesen, eine Weltausstellung, die diesen Namen wirklich verdient. Ein Fest der Arbeit und des Handwerks, der Wissenschaft und der Kunst, an dem alle Menschen zusammenwirken, Reiche und Arme, Starke und Schwache, weil sie ein gemeinsames Ziel vor Augen haben: die Errungenschaften des Fortschritts miteinander zu teilen, in ehrlicher und gerechter Weise …«
Sie legte den Text beiseite und biss sich vor Aufregung auf die Lippe. »Wenn ich mir vorstelle, dass Tausende von Menschen das bald schon lesen werden.«
    »Ich habe eine Idee«, sagte Victor. »Wie wär’s, wenn du die Flugblätter von der Galerie hinunter in den Pavillon wirfst, genau in dem Moment, in dem der Dampf aufsteigt?«
    »So wie du damals die Rosenblätter?« Emily war so begeistert, dass sie ihm einen Kuss gab. Ein paar Leute an den Nebentischen schauten zu ihr herüber, doch sie achtete nicht auf sie. »Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr ich mich darauf freue! Und danach Amerika«, fügte sie mit träumenden Augen hinzu.
    »Bis dahin dauert es noch eine Weile.« Victor trank den letzten Schluck Tee aus seiner Tasse. »Wäre es nicht vielleicht gescheiter«, sagte er dann, »du würdest noch ein paar Tage bei deinen Eltern bleiben?«
    »Bist du verrückt geworden?«
    »Ich meine nur, du hast eine einzige Tasche dabei, als wolltest du wirklich bloß nach Chatsworth fahren. Hast du schon mal an den Winter gedacht? In Amerika wird es genauso kalt wie hier. Zu Hause könntest du dir warme Sachen besorgen und auch noch andere Dinge, die wir brauchen. Es wäre dumm, darauf zu verzichten.«
    »Du hast Recht«, erwiderte Emily, »und ich könnte mich ohrfeigen,dass ich nicht daran gedacht habe. Aber trotzdem, ich kann nicht noch einmal zurück. Ich würde es nicht aushalten, nicht einen einzigen Tag.«
    »Warum nicht? Hast du Angst, dass deine Eltern was merken?« Emily schüttelte den Kopf. »Das ist es nicht, es ist etwas anderes – ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll.« Sie dachte einen Moment nach, dann sagte sie: »Der Tag heute zu Hause, alles war so vertraut, die Möbel im Zimmer, die Gerüche, die alte Standuhr, unser Butler, mein Bruder Georgey – ich habe mich gefühlt, als ob ich nie fort gewesen wäre. Doch als mein Vater auf einmal sagte, er müsse nach Derby fahren, da begriff ich plötzlich, dass ich das alles nie mehr wiedersehen werde, weder das Haus noch meine Eltern oder meine Geschwister. Als ich mich von meinem Vater verabschiedet habe, hätte ich fast losgeheult.«
    Victor nahm ihre Hand und streichelte sie. »Weißt du was?«, sagte er. »Wir kaufen uns eine Flasche Wein, von dem weißen französischen, den du so gern magst, und die trinken wir heute Abend.«
    »Ja, das wäre schön. Aber dafür haben wir kein Geld. Ach«, seufzte sie, »wenn ich an all die vielen Flaschen Wein denke, die andere Leute heute Abend trinken, könnte ich fast neidisch werden.«
    »Wovon redest du?«, fragte Victor. »Ich verstehe kein Wort.«
    »Meine Mutter ist auf einem Empfang eingeladen, bei Premierminister Russell, ich sollte unbedingt mitkommen.« Plötzlich veränderte sich Emilys Gesicht, die Verunsicherung war daraus verschwunden, um einem breiten Grinsen Platz zu machen. »Ich glaube, ich weiß, wie ich Wein für uns besorgen

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