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Die Rebellin

Die Rebellin

Titel: Die Rebellin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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zu bewahren. »Ernest Jones? Aus Manchester?«, fragte er, in der Hoffnung, dass es sich um eine zufällige Namensgleichheit handelte. »Tut mir Leid, Madam, aber das sagt mir im Moment nichts.«
    »Mr. Jones ist der Herausgeber des
Northern Star
.« Sie machte eine Pause, bevor sie weitersprach. »Er fordert Emily auf, wieder Illustrationen für seine Zeitung zu liefern, und bietet ihr ein Honorar von zehn Schilling pro Zeichnung.«
    »Aber … aber«, stammelte Cole, »wie ist das möglich?«
    »Das frage ich Sie«, erwiderte Sarah Paxton mit Tränen in den Augen. »Sie waren doch in der Londoner Redaktion des Blattes, mein Mann hat mir davon berichtet. Sie haben versichert, die Bilder seien von einem heruntergekommenen Zeichenlehrer.«
    »Ich … ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll.« Cole suchte nach Worten, doch war ihm bewusst, dass es unmöglich war, in dieser Situation die richtigen zu finden. »Ich … ich kann zu meiner Entschuldigung nur anführen …, dass heißt, wenn Sie überhaupt noch bereit sind, mir nach allem Gehör zu schenken …«
    »Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen, Mr. Cole«, unterbrach sie ihn, »es kann für das alles ja nur eine Erklärung geben.« Sarah Paxton verstummte und blickte ihn an. Cole spürte, wie ihm der kalte Schweiß ausbrach.
    »Nämlich?«, fragte er leise, als er ihr Schweigen nicht länger ertrug.
    »Die Zeitungsleute müssen Sie belogen haben.«
    »Wie bitte?« Cole war so überrascht, dass er nur diese zwei Worte herausbrachte.
    »Ja, verstehen Sie denn nicht? Die Chartisten wollten verhindern, dass Sie Emily auf die Schliche kommen. Die Tochter des berühmten Joseph Paxton, plötzlich auf ihrer Seite – ausgerechnet! Was für ein Triumph für diese Halunken.« Sarah Paxton legte den Umschlag auf den Schreibtisch. »Das ist die einzigeErklärung, die ich mir vorstellen kann. Oder haben Sie eine andere, Mr. Cole?«
    »Nein, nicht direkt, keineswegs«, brabbelte er, unschlüssig wie Prinz Albert. »Sehr scharfsinnig, Madam, so könnte es gewesen sein. Allerdings … durchaus … in der Tat.«
    Sarah Paxton versuchte zu lächeln. Cole wich ihrem Blick aus. Stand ihm die Lüge denn nicht im Gesicht geschrieben? Auf dem Schreibtisch war eine Daguerreotypie aufgestellt. Sie zeigte Emily im Seerosenhaus, in ihrem Arbeitskittel. In diesem Kittel hatte sie auch ihn empfangen, als er sie um die Auflösung ihrer Verlobung hatte bitten wollen. Sie wirkte auf dem Bild genauso wie damals, voller Tatendrang und Zuversicht, als könne man mit ihr die ganze Welt erobern.
    »Herrgott«, flüsterte Sarah Paxton, »wie glücklich hätte das Kind sein können, wenn sie nur auf Sie gewartet hätte.«
    Sie verließ den Schreibtisch und machte einen Schritt auf ihn zu. Nur zögernd hob er den Kopf. Sie war so verzweifelt, dass sie aussah wie eine alte Frau.
    »Sagen Sie, mein Freund, und ich bitte Sie um völlige Offenheit: Haben Sie irgendeine Idee, wo meine Tochter stecken könnte?« In diesem Augenblick begriff Henry Cole: Wenn er Emily davor bewahren wollte, sich vielleicht für immer zu verirren, musste er Sarah Paxton helfen. Das war die einzige Möglichkeit, die ihm noch blieb, um Emily seine Liebe zu beweisen.

5
     
    »Der ganze Kristallpalast voller Nebelschwaden! Wie London im November! Vor den Augen der Königin und des Prinzgemahls … Das wird die eindruckvollste Demonstration, die es je gegeben hat! Die ganze Welt wird davon erfahren!«
    Über Emilys Gesicht ging ein solches Strahlen, dass Victor sich auf der Stelle in sie verliebt hätte, wenn er es nicht schon längst gewesen wäre. Sie saßen in einem Public House bei Euston Station, das eigentlich viel zu teuer für sie war. Doch Emily hatte vorgeschlagen, sich hier nach seiner Arbeit mit ihm zu treffen. Er hatte die letzten Stunden damit verbracht, eine Tasse Tee in so vielen winzigen Schlucken zu trinken, dass die Tasse nie leer wurde, damit er weiter auf sie warten konnte, ohne eine zweite Bestellung machen zu müssen.
    Jetzt legte sie ihre Hand auf seinen Arm und blickte ihn zärtlich an. »Bist du auch ganz sicher, dass dir dabei nichts passieren kann? Du hast doch so was noch nie gemacht.«
    »Hast du Angst um mich?« Er küsste ihre Hand, und so leise, als flüsterte er ihr eine Liebeserklärung zu, sagte er: »Das brauchst du nicht. Mit dem Zünder besteht überhaupt keine Gefahr. Ich habe mir alles ganz genau erklären lassen.«
    »Und der Dampfkessel?«, erwiderte sie genauso leise, damit niemand sie

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