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Die Rebellin

Die Rebellin

Titel: Die Rebellin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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gar nichts.«
    »Ich rede von dem Entwurf. Die Anforderungen sind so widersprüchlich, dass kein Mensch der Welt sie in ein und derselben Konstruktion vereinen kann. Die Kommission will einen Pavillon, der siebenmal so groß ist wie St. Paul’s. Er soll so fest und solide sein wie ein Gebäude, das Stein auf Stein gemauert ist, doch für den Bau stehen nur ein paar Monate Zeit zur Verfügung. Außerdem muss er Schutz gegen Hitze und Kälte bieten, sodass immer eine konstante Innentemperatur herrscht, egal ob zehn oder zehntausend Menschen darin sind. Und schließlich darf das Ganze nichts kosten.«
    Emily schaute ihn schuldbewusst an. »Und ich habe dich dazu überredet. Bist du mir böse?«
    »Ich wollte, ich könnte es sein. Aber ich bin selber schuld. Der Größenwahn hat mich geritten. Im Parlament dachte ich nur, Stümpern, die für so eine Akustik verantwortlich sind, darf man nicht die Weltausstellung überlassen.« Er schüttelte den Kopf. »Mein Gott, auf was habe ich mich da eingelassen? Nach solchen Vorgaben kann man vielleicht ein Gewächshaus bauen, aber kein Gebäude für so eine gigantische Ausstellung. Die größte architektonische Aufgabe in der Geschichte Englands, und ich, ein Gärtner, habe versprochen, die Lösung zu präsentieren, an der alle Architekten und Ingenieure gescheitert sind – in einer Woche!«
    »Genau dafür bewundere ich dich«, sagte Emily. »Du hast den Mut, Dinge zu wagen, die sich sonst keiner traut, auch wenn sie völlig unmöglich sind.« Sie setzte sich zu ihm und schmiegte sich an ihn. »Weißt du noch, wie du aus Konstantinopel zurückgekommen bist, von deiner Reise mit dem Herzog? Ich war damals noch ganz klein, aber ich erinnere mich genau. Du hattest ein dunkelblaues Cape um und einen hohen, spitzen Hut auf dem Kopf. Du hast ausgesehen wie ein Zauberer.«
    »Ach Gott, ja«, sagte Paxton mit einem Anflug von Wehmut.
    »Ich hatte die Sachen im großen Basar am Topkapi Serail gekauft,ich glaube, deine Mutter bewahrt sie immer noch irgendwo auf.«
    »Dann frag sie mal, wo!«, sagte Emily. »Vielleicht liegt der Zauberstab ja auch noch da.«
    Paxton versuchte zu lächeln, doch es gelang ihm nicht. Die Erinnerung an den jungen Mann, der er einmal gewesen war, deprimierte ihn zu sehr. Damals hatte er wirklich geglaubt, dass man alles schaffen kann, wenn man nur will. Doch heute? Schweigend blickte er auf die Seerosen, die groß und majestätisch auf dem dunklen Wasser trieben und den Duft von Ananas verströmten.
    »Du warst noch so klein«, sagte er, »dass du auf den Blättern stehen konntest.«
    »Ich glaube, das könnte ich immer noch«, erwiderte Emily. »Sie sind so stark, dass sie zweihundert Pfund tragen. Das hast du selbst gesagt.«
    »Das weißt du noch? Du hast wirklich ein gutes Gedächtnis.«
    »Ich habe nur aufgepasst, wie du es der Königin erklärt hast. Du hast ihr das Rippengeflecht auf der Unterseite der Blätter gezeigt, und ich glaube, sie hat es sogar verstanden.«
    »Ja«, sagte er, »in der Natur ist alles so einfach. So einfach und so genial.«
    »Eine Ingenieursleistung der Natur, hast du gesagt, ich weiß es noch wie …«
    Emily verstummte mitten im Satz, so plötzlich, dass Paxton sich verwundert zu ihr umdrehte. Doch sie schien ihn gar nicht mehr zu registrieren. Mit abwesenden Augen starrte sie auf die Pflanzen, als hätte sie gerade eine Erscheinung.
    »Was ist?«, fragte er.
    »Ach, nichts«, sagte sie. »Nur ein Gedanke.« Sie schüttelte den Kopf und erwiderte seinen Blick. »Musst du morgen früh nicht nach Derby?«
    »Ja, leider. Um sechs geht mein Zug. Und vorher will ich noch kurz in den Hyde Park, um mir den Bauplatz anzusehen.«
    »Solltest du dann nicht langsam schlafen?« Emily gab ihm einen Kuss. »Sei nicht traurig, Papa. Denk an deine Devise. Wenn es einem richtig schlecht geht und man nur einen Penny in der Tasche hat, muss man sich was Gutes gönnen. Nimm noch einen Schlummertrunk, dann sieht die Welt schon wieder anders aus.«
    »Ich wollte, du hättest Recht. Doch dafür reicht diesmal ein Schlummertrunk nicht aus, dafür müsste mich wohl die Muse persönlich küssen.« Mit einem Seufzer stand er auf und ging zur Tür. »Und du?«, fragte er, da sie keine Anstalten machte, ihm zu folgen.
    »Ich komme später nach, ich hab noch eine Kleinigkeit zu tun.«
    »Dann gute Nacht, Emily. Und vergiss nicht, das Licht auszumachen.«
    Paxton trat hinaus in die dunkle Nacht. Am Himmel war kein einziger Stern zu sehen. Wahrscheinlich

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