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Die Rebellin

Die Rebellin

Titel: Die Rebellin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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in einem dünnen, feinen Strahl. Toby wagte kaum zu atmen, als er anfing zu rühren, so langsam und gleichmäßig, wie er nur konnte. Es war inzwischen so heiß in der Kammer, dass er glaubte zu platzen.
    »Gut machst du das, bravo«, sagte Monsieur Pierre. »Ein richtiger kleiner Hexenmeister.«
    Voller Angst starrte Toby auf die unheimliche Mischung, die in der Schüssel so klar und harmlos aussah wie Limonade, aber offenbar so gefährlich war wie Schießpulver. Ab und zu stiegen rotbraune Dämpfe auf, ein Zeichen, dass der Sud in Flammen zu geraten drohte. Dann hörte Monsieur Pierre für eine Weile auf, weiter Glyzerin in die brodelnde Flüssigkeit zu gießen. Erst wenn kein Rauch mehr zu sehen war, fuhr er mit dem Mischen fort.
    »Das Wichtigste ist jetzt Geduld«, sagte er. »Ich hatte in Paris einen Freund, der war immer ungeduldig, bei den Weibern genauso wie bei der Arbeit. Eines Tages ist es dann passiert. Als man die Trümmer wegräumte, hat man nichts mehr von ihm gefunden. Jedenfalls nichts, was man hätte beerdigen können.«
    Dabei kicherte er, als würde er sich köstlich amüsieren. Ohne das Rühren zu unterbrechen, schielte Toby zu ihm hinüber. Was hatte der Kerl mit dem Teufelszeug vor? Mit ungutem Gefühl erinnerte er sich, dass er in jeder Apotheke Victors Namen genannt hatte.
    Plötzlich musste er husten.
    »Willst du uns umbringen?«, zischte Monsieur Pierre.
    Toby unterdrückte den Reiz in seiner Kehle und rührte mit zitternden Händen weiter.
    »Hast du Angst?«
    Um nicht wieder zu husten, nickte er nur mit dem Kopf.
    »Das ist gut. Wer Angst hat, der tut, was man ihm befiehlt«, sagte Monsieur Pierre. Wieder stiegen Gase aus der Schüssel auf, und wieder wartete er, bis sie sich verzogen hatten. Erst als kein Rauch mehr zu sehen war, goss er den Rest des Glyzerins in die Schüssel. »Jetzt haben wir es fast geschafft.«
    Er stellte die Flasche auf den Tisch und nahm Toby den Glasstab aus der Hand, um selber weiterzurühren. Nach ein paar Minuten, die Toby wie eine Ewigkeit vorkamen, hob er die Schüssel aus der Wanne und schüttete behutsam die fertige Mischung in das Wasser. Ein gelbliches Öl sank in großen schweren Schlieren auf den Boden.
    »Was für ein herrlicher Anblick!«, flüsterte er. »So erregend wie eine nackte Frau.«
    Als die Schlieren sich gesetzt hatten, goss er das Wasser ab, bis nur noch die reine Essenz übrig war. So andächtig, als wäre es flüssiges Gold, füllte er das Öl in eine saubere Flasche, verschloss sie vorsichtig mit einem Pfropfen und legte sie auf das Kissen in seinem Bett.
    »Voilà«
, sagte er mit leuchtenden Augen. »Nur ein paar Tropfen genügen, um ein Haus in die Luft zu sprengen. Und da sagen die Leute, es gebe keine Wunder mehr.«
    Sie nahmen die Tücher vom Gesicht. Monsieur Pierre stieß einen Pfiff aus, und Robert kehrte in die Kammer zurück. Erst jetzt merkte Toby, dass er am ganzen Körper schweißnass war. »Kann ich jetzt gehen?«, fragte er.
    »Na klar«, sagte Robert. »Hier, für dich!« Er warf ihm eine Münze zu. »Kauf dir eine Flasche Whisky oder schau bei Fanny vorbei, ganz wie du willst.«
    Toby fing den Sixpence auf und wandte sich zur Tür. Nur raus hier!
    »Ach ja, noch eine Kleinigkeit.« Toby drehte sich um und sah in Roberts grinsendes Gesicht. »Du hast doch schon mal Schmiere gestanden, oder?«
    »Schmiere? Ja … nein …«, stotterte er. »Weshalb?«
    »Monsieur Pierre und ich haben was vor, etwas ganz Besonderes. Und wir wollen nicht, dass uns irgendwer dabei stört.«
    »Ja, aber warum ich?«
    »Wir brauchen jemand, der ein bisschen aufpasst. Einen Freund, auf den wir uns verlassen können.« Robert zog die Tür wieder zu. »Ich erzähl’s dir, es wird dir gefallen.«
    Während Monsieur Pierre aus der Seekiste ein Bündel Lappen holte und fröhlich pfeifend begann, sein Geschirr zu reinigen, erklärte Robert den Plan. Mit immer größeren Augen hörte Toby ihm zu.
    »Nein«, sagte er entsetzt, als Robert fertig war. »Dabei mache ich nicht mit.«
    »Ich schätze, dir wird nichts anderes übrig bleiben. Vergiss nicht, was ich für dich getan habe.«
    »Aber du hast doch gesagt, ich habe keine Schulden mehr!«
    »Quelle erreur!
In Frankreich sagen wir: einmal Schulden, immer Schulden.« Monsieur Pierre warf die Lappen auf den Tisch und verstaute Schüssel und Wanne in der Seekiste. »Stell dir vor,
mon ami
, jemand gibt der Polizei einen Hinweis! Die Apotheker werden dich erkennen.« Er strich Toby über den Kopf

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