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Die Rebellin von Leiland 1: Maske (German Edition)

Die Rebellin von Leiland 1: Maske (German Edition)

Titel: Die Rebellin von Leiland 1: Maske (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magali Ségura
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Bewunderndes Gemurmel ließ sich noch vernehmen, als ein weiches, grün schimmerndes Tuch zu Füßen der Tänzerinnen niederglitt. Doch bei diesem eigenartigen Anblick drang kein Ton mehr aus den offen stehenden Mündern. Andin war wie gelähmt. Die Anwesenheit der Mörderpflanze verhieß nichts Gutes!
    »Was habt Ihr? Was ist?«, murmelte Eline viel zu neugierig.
    Wie viele Leiländer kannte sie die Legende über die Existenz und die Grausamkeit der Amalysen, aber sie hatte in ihrem ganzen Leben noch keine gesehen. Andin starrte sie einen Moment lang an, ohne zu antworten. Seine smaragdgrünen Augen waren so kalt geworden wie der Stein, dessen Farbe sie sich geliehen hatten. Ein Schauer lief der Prinzessin über den Rücken.
    »Habt keine Angst, ich bitte Euch – habt keine Angst!«, flehte er sie mit schwacher Stimme an.
    Nichts konnte sie besorgter machen, aber die Großartigkeit des Spektakels nahm sie aufs Neue gefangen. Ohne zu begreifen warum, dachte sie an ihre Schwester Elisa, als diese noch gesungen und sie sie auf der Harfe begleitet hatte. Die Musik erinnerte auch sie an eine Idylle, der sie nachtrauerte.
    Die geheimnisvolle Materie erhob sich wellenförmig vom Boden. Manche Teile stiegen wogend an den Tänzerinnen empor. Sie stimmten ihre Körperhaltungen darauf ab. Die Schritte wurden jetzt von diesen lebenden Armreifen, Bändern, Schleiern und Flügeln begleitet, die sich im Takt der Musik des Zwergs verformten und je nach Einfall des Abendlichts unterschiedlich abzeichneten.
    Dieser zauberhafte Tanz Körper an Körper riss alle Seelen mit, je feuriger der Rhythmus wurde. Die Umdrehungen wurden schneller, die Übergänge und Sprünge folgten Schlag auf Schlag. Das Wesen ging auf die winzigsten Anforderungen des Gesangs und der Bewegungen ein. Die Amalyse sprang, wirbelte herum, bremste heftig die Leidenschaft einer Bewegung oder liebkoste einen Körper. Nach einer schwungvollen Armbewegung zur Decke hin und durchdringenden Tönen schoss sie zu den Fresken empor wie ein Springbrunnen und stürzte als Fontäne hernieder, um gleich wieder hochzusprudeln. Sie überschwemmte Stück für Stück den Raum, dehnte sich wie feiner Schleierstoff, riss wie schimmernde Spitze in einem Märchenzauber, der das Publikum in Staunen versetzte. Als ob der Wind von draußen in den Raum gedrungen wäre, schwebte dieser fabelhafte Stoff in der Luft.
    Die Amalyse gab sich ganz den Gefühlen ihrer Lenkerinnen hin. Sie hatte ihre Natur vergessen und flog in Bändern um jede der Tänzerinnen, die sich in rasend schnellem Takt drehten. Sie war das gebannteste Wesen im ganzen Saal. Aus Protest wurde sie dunkler, als die Magie aufhörte und der Gesang und das Klimpern der goldenen Armreifen verstummte. Sie breitete sich auf den Bodenplatten aus, als wolle sie sich von der maßlosen Süße erholen, die sie empfunden hatte.
    Niemand rührte sich, alle Blicke waren starr vor Bewunderung. Dieses unerwartete Spektakel war so phantastisch gewesen! Vielleicht wurden sich alle plötzlich bewusst, dass dem Ungewöhnlichen dieser Darbietung etwas Gefährliches innewohnte. Vielleicht bemächtigte sich die Anspannung des Abends aller – oder vielleicht konnte ihr Beifall auch nur in keiner Weise ihren Gefühlen Ausdruck verleihen. Auf jeden Fall hielt der Zauberbann in tiefer Stille an.
    Eine der Tänzerinnen trat auf den Herrscher zu. Sie blieb vor den Stufen stehen, verneigte sich aber nicht. Reglos wartete sie in aufrechter Haltung, das Gesicht zu Seiner Majestät gehoben.
    Elea sah ihren Vater an – den Mann, den sie seit so vielen Jahren gehasst hatte. Sie wusste nicht mehr, welches Gefühl sie für ihn empfinden sollte. Liebe? Nein. Als sie sah, in welchem Reichtum er lebte, gleichgültig, verborgen vor dem Elend seines Volkes, konnte sie ihn nicht lieben. Es fiel ihr schwer, sich vorzustellen, dass er bei Kortas Schandtaten nicht die Hand im Spiel hatte! Mitleid mochte ihr das Herz zusammenschnüren. Wenn alles, was Joran gesagt hatte, wahr war, musste der Herrscher sogar sehr zu beklagen sein. Aber sein Mangel an Charakter und seine Unterwerfung unter andere taten Elea weh. Wie konnte sie, die sie so entschlossen war, einen derart schwachen und untätigen Vater haben? Er blieb am Ende doch verachtenswert, unwürdig, König zu sein.
    Sie hatte eine Rede vorbereitet. Aber nun, da sie vor ihm stand, vergaß sie Jorans Unterweisungen und ihre Versprechen. Elea war sich weder ihrer Umgebung noch der Anzahl von Personen, die sie ansahen,

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