Die Rebellin von Leiland 1: Maske (German Edition)
wenn dein Herrscher genug Geduld hat, deinen Ungehorsam zu ertragen – für mich gilt nicht das Gleiche! Und noch weniger für diese Amalyse!«
Die Adligen erstarrten angesichts der Bewegung der Mörderpflanze. Sie hatten das seltsame Material für eine einfache Magie und einen Effekt der Schleier gehalten, keinesfalls für eine Waffe. Als die junge Frau den Namen Amalyse aussprach, flüchtete die ganze adlige Versammlung an die Wände. Sogar Eline wich bis zu Andin zurück. Er hielt sie mit den Armen fest und flüsterte ihr noch einmal zu, dass sie keine Angst haben sollte. Sie sah ihn verständnislos an. Er wusste etwas über diese Tänzerin und ihre Gefährten – aber woher? Elines sonst so feinsinniger Verstand war zu abgelenkt, um darüber nachzudenken.
Elea zwang den kleinen Baron, die Throntreppe herabzusteigen. Er kroch beinahe und fiel daher vor ihr auf die Knie.
»Pass auf!«, riet sie ihm mit einem triumphierenden Lächeln. »Dieses Geschöpf kommt direkt aus den Dunklen Wäldern, aus der Amalysenquelle: Es ist wild! Ich kenne den Charakter der Mörderpflanzen und die Gründe für ihre Gewalttätigkeit, aber ich bin keineswegs ihre Gebieterin.«
Der König hatte sich nicht gerührt; er war würdig stehen geblieben, furchtlos trotz der Wendung, die die Ereignisse genommen hatten. Sein großer, goldener Brustschmuck funkelte im schwachen Tageslicht genauso wie seine Augen. Elea bekam Lust herauszufinden, bis zu welchem Grade er stolz auf seine Tochter war.
»Wozu willst du mich erpressen?«, fragte er ernst. »Ich glaube nicht, dass du nur hier bist, um den Hofstaat in Angst und Schrecken zu versetzen und lächerlich zu machen.«
Der Gedankengang brachte sie zum Lachen.
»Eure Majestät hat Recht.«
Sie machte eine Pause und stieß dann heftig ihre Forderung hervor: »Ich will die Kinder von Eade! Die, die Euer geliebter Herzog von Alekant den Armen ihrer Eltern zu entreißen gewagt hat, um seinen Rachedurst an mir zu stillen!«
»Ich dachte, du wärst Räuberin, keine Rächerin! Aber diese Lüge nützt dir nichts. Ich hätte nie zugelassen, dass auch nur einer meiner Untertanen Kinder misshandelt. Als der Herzog von Alekant ein einziges Mal Kinder in den Palast gebracht hat, waren es nur Waisen von deiner Hand, für die er neue Eltern suchen wollte!«
Davon also nährte sich die Königsmacht: Von schamlosen Lügen, erfundenen Geschichten und verborgenem Elend.
»Diese geraubten Kinder haben Eltern! Nur zehn von ihnen sind wirklich Waisen! Und die haben schon Adoptivfamilien, die auf sie warten! Ihr solltet Eure Leichtgläubigkeit gegenüber diesem Mann überdenken, den ihr schon für Euren Schwiegersohn haltet! Wenn Ihr es je wagen würdet, Euren Palast zu verlassen, würdet Ihr seine Verbrechen und Schandtaten sehen!«
Sie wollte sich noch ein wenig weiter hineinsteigern, als Ophelia einen Schrei ausstieß. Ein Wachsoldat hatte die Aufmerksamkeit, die die Maske beanspruchte, zu dem Versuch genutzt, eine der Tänzerinnen zu überwältigen. Er hatte vergessen, dass sie alle drei mit Amalysen verbunden waren. Die Pflanze reagierte sofort auf seine Aggression. Sie stürzte sich auf sein Gesicht, seinen Hals und seinen Oberkörper. Schwarz wie Ebenholz begann sie mit ihren Scheinfüßen diesen Mann zu ersticken, der für ihren Geschmack zu gewalttätig war.
Zwei Markgräfinnen und drei Herzoginnen wurden bei diesem Anblick auf den Galerien ohnmächtig. Panische Schreie erfüllten den Saal, während Elea ihre Geisel freiließ, um zu dem übereifrigen Soldaten zu laufen.
Die junge Frau hatte ihre eigenen Amalysen mitgebracht, die sich mit der wilden Pflanze vermischt hatten. Sie löste eine von ihnen, um mit ihrer Hilfe in Kontakt zu dem Soldaten und der schwarzen Masse zu treten. Langsam atmend blieb sie reglos stehen und gab keine mündlichen Befehle. Der gesamte Hofstaat war wie gelähmt, ohne die Vorgänge zu verstehen. Nur Andin bewunderte Eleas Überredungskünste der Pflanze gegenüber. Diese wurde nach einigen langen Sekunden heller und löste ihre Umklammerung schon, bevor sie ihre Ursprungsfarbe völlig zurückgewonnen hatte.
Aber der Wachsoldat rührte sich nicht: Elea war nicht schnell genug gewesen. Sie tastete vergeblich nach seinem Puls. Der Todesfall ließ eine Kälte zurück.
»Ich bin nur hergekommen, um die Kinder abzuholen, Eure Majestät – ich wollte keine Verluste an Menschenleben. Ich hoffe nur, dass dieser Tod nicht umsonst war und Eure Wachen sich von nun an jedes
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