Die Rebellin von Leiland 1: Maske (German Edition)
setzte sich ein wunderschöner rotweißer Vogel in Pose. Eline erkannte das sagenhafte Tier sofort.
»Ihr seid erst die dritte Person, die ihn liebkost«, verkündete Andin, als sie mit den Fingern über die langen, glänzenden Federn strich.
»Wie schön er ist!«
Der Geckenstolz blähte vor Selbstgefälligkeit und Stolz den Kropf.
»Seine Herren dürfen ihm das niemals sagen, wenn sie wollen, dass er ihnen gehorcht. Dieser Vogel ist die Eitelkeit in Person. Eure Liebkosungen werden von nun an seine Komplimente sein.«
»Warum sagt Ihr das alles?«
Der Vogel rieb sich den Schnabel an den zarten Fingernägeln und schmiegte den Kopf in die Handfläche der jungen Prinzessin.
»Weil dieser Geckenstolz Euch von nun an genauso gehört wie Cedric und mir. Der nächste Brief, den er bringt, wird an Euch gerichtet sein«, vertraute er ihr an.
»Ich habe doch nein gesagt!«, rief sie in schwachem Protest aus.
»Ihr seid nicht gezwungen zu antworten«, gab er mit schelmischem Lächeln zurück, wobei sich auf seinen Wangen Grübchen bildeten.
Andin hob den Arm, auf den sich der Vogel mittlerweile gesetzt hatte. Dieser breitete die weißen Flügel aus und entblößte ihre rot gesprenkelten Unterseiten, flog aber nicht los, weil Eline einen Entzückensschrei nicht unterdrücken konnte.
»Wenn du nicht willst, dass ich mit deinen Schwungfedern ein Kopfkissen stopfe, dann gehorchst du mir besser!«, sagte Andin streng zu ihm. »Flieg, flieg über die Berge, die Ebenen und Meere, flieg bis zu Cedric, und mach unterwegs nicht halt!«
Der Geckenstolz flog ohne Zögern los. Er kämpfte ein bisschen gegen den Wind, der ihn zur Burg zurückdrückte; dann verschwand der hübsche, weiße Punkt am Himmel.
»Ihr seid starrköpfig«, murmelte Eline.
»Sehr«, räumte Andin stolz ein.
Er strahlte. Der Aufbruch des Herzogs von Alekant hatte ihm die letzte Angst davor genommen, zum Fest auf der Burg zu bleiben. Er ließ sich genüsslich von der Brise das Gesicht liebkosen.
»Dieses Land ist am Ende doch nicht so kompliziert«, verkündete er auf einmal. »Wenn man die Bedeutung des Mondes und seines Spiegelbilds kennt, ist alles ganz einfach. Weiß geht der Sonne voran, Malvenfarbe dem Regen und Orange dem Wind!«
Er bezog sich auf den Schein des doppelten Mondes beim Gewitter der vorangegangenen Nacht. Bei diesem Anblick hatte er sich des Gedankens an Victoria nicht erwehren können. Eline lachte über das, was er herausgefunden hatte.
»Und was wollt Ihr an mondlosen Tagen machen? Das ist weitaus komplizierter, das versichere ich Euch«, sagte sie entschieden. »Alles hängt von der Intensität, der Farbe, der Form und der An- oder Abwesenheit der beiden Monde ab. Es stimmt, dass man aus ihnen den Zeitpunkt und die Dauer verschiedener Wettererscheinungen mit einer gewissen Genauigkeit ablesen kann, und was den Wind betrifft, ist es sogar möglich zu wissen, wann es zu Sturmböen kommen wird. Ich beherrsche diese Kunst nicht vollkommen, aber ich kann Euch versichern, dass das Wetter im Laufe des Tages schlechter werden wird: Der rote Rand der Dreiviertelmonde kündigt heftige Windstöße an. Aber man kann sich immer irren.«
»Und jeder beliebige Mensch kann es erraten?«
»Ja, man muss nur darüber Bescheid wissen und ein guter Beobachter sein.«
Andin hatte den Blick ins Leere gerichtet. Er erfuhr nichts weiter über das Mädchen-mit-den-blauen-Augen und war enttäuscht, dass die Wettervorhersage keine besondere Begabung erforderte.
Die Burggräben zogen seine Aufmerksamkeit auf sich. Vom Wehrgang herab nahm er große, seltsam sternförmige Wesen darin wahr. Sie scharten sich in einem gewissen Abstand von der Eingangsbrücke zusammen. Als er seine Entdeckung in Worte fasste, beugte Eline sich noch nicht einmal vor, um hinzusehen, sondern erklärte ihm nur mit erkennbarer Verachtung: »Das sind unsere Wachhunde. Widerliche Geschöpfe, die sich von allem Möglichen ernähren und alles verdauen, was ins Wasser fällt: Sarikeln. Von Zeit zu Zeit greifen sie eine fremde Wagenkolonne an, die über die Brücke kommt, und die Wachen schließen daraus – ich weiß nicht warum –, dass sie eine Bedrohung fürs Königreich war. Die Menschen werden dann entweder direkt in die Gräben oder ins Verlies geworfen.«
»Wenn ich recht verstehe, habe ich viel Glück gehabt!«, rief Andin bei dem Gedanken, dass er auch an der Grenze Schwierigkeiten entgangen war. »Aber warum sind sie so weit von der Brücke entfernt, wenn sie diejenigen
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