Die Rebellin von Leiland 1: Maske (German Edition)
kleine Kinder.«
»Ach … Ich bin nicht kleiner als du, liest du mir ein Stück vor? Wenn ich meine Schwester bitte, das Gitter zu bewachen?«
Der Junge mit dem Buch zögerte. Er wägte Für und Wider ab. Wenn seine Mutter es herausbekam … Schließlich ließ er sich darauf ein. Erby verschwand, um seine Schwester zu suchen. Er kehrte mit einem kleinen, blonden Mädchen von etwas sechs Jahren zurück, das schwer an einem dreijährigen Jungen zu tragen hatte, dessen Gesicht tränenüberströmt war.
»In Ordnung«, sagte sie, »aber du passt auf Antonin auf.«
»Der versteht das gar nicht. Der wird schon schnell einschlafen«, argumentierte Erby, um nicht um sein Vorlesen zu kommen.
Der Junge mit dem Buch gab nach und ließ zu, dass Erby und sein kleiner Bruder sich neben ihn setzten. Er nahm sein Buch und fand die letzte Seite wieder, die er gelesen hatte.
» Leiland …«, murmelte er.
»Oh, da geht’s um Leiland!«, rief Erby aus.
»Pst!«, antwortete der Vorleser.
»Entschuldige.«
» Leiland scheint mir der Ort des nächsten Zusammenstoßes zu sein. «
»Ein Zusammenstoß? Wer gegen wen?«
Der kleine Junge mit dem Buch sah ihn aus dem Augenwinkel an. Wenigstens war Antonin still. Er vergaß, dass er an Erbys Stelle wahrscheinlich noch unerträglicher gewesen wäre.
»Zwischen den Gottheiten«, antwortete er.
»Au Mann! Wann denn?«
»Lässt du mich jetzt lesen?«
»Ja, ja, ja. Tut mir leid!«
» Seine geographische Lage ist nicht der einzige Grund für meine Annahme … «
»Was für eine Lage?«
Der Vorleser schlug das Buch zu. Er spürte, dass Augen ihn musterten und sich für die Szene interessierten. Erby schürzte die Lippen und bemerkte die Verlegenheit des anderen.
»Ich sage nichts mehr, versprochen!«
Das Kind mit dem Buch zögerte, sah sich noch einmal um und las dann weiter: » Es ist in jenem Land seit dem Sieg der Feen zu mehreren geheimnisvollen Vorfällen gekommen, so als ob die Gottheiten sich wieder ein Schlachtfeld teilen würden.«
Erby biss sich auf die Lippen, sagte aber nichts.
»Zunächst einmal peitschen Stürme über die Versteinerten Berge. Es war nie leicht, Leiland auf diesem Wege zu erreichen, aber nun ist es beinahe unmöglich. Am Fuße jener Bergkette ist Nebel aufgestiegen, ein seltsamer Dunst, der einen Sumpf verbirgt, der früher nicht existierte. Man munkelt, dass diese Höllischen Nebel einen mächtigen Wächter verhüllen, der noch die Tapfersten in die Flucht schlägt.
Das zweite seltsame Phänomen besteht darin, dass es keine dunklen Nächte in Leiland gibt. Der Mond hat ein Spiegelbild, das zuweilen erscheint und den Himmel erhellt, wenn das wahre Gestirn verborgen ist. Worin besteht der Nutzen dieses doppelten Mondes? Ich habe nicht die leiseste Ahnung. Aber da ich Gelegenheit hatte, ihn während eines Besuchs bei meinem Nachbarn zu sehen, muss ich sagen, dass ich dieses Schauspiel nicht so schnell vergessen werde.
Genauso wenig werde ich die seltsamen Geschöpfe in den Wassergräben der Burg von Leiland vergessen: Die Sarikeln. Derselbe Zeitpunkt, dasselbe Geheimnis. Die Leute, die versucht haben, sie zu vertreiben, sind gefressen worden. Sie haben vor, sehr lange dort zu leben. So geschwächt es auch ist, das Böse hat allem bereits seinen Stempel aufgedrückt.
Die Leiländer haben mir auch von bestimmten Waldstücken erzählt, die auf einmal undurchdringlich geworden sind: den Dunklen Wäldern, die von Mörderpflanzen bewacht werden, und dem Verbotenen Wald, der ein Schlupfwinkel ist, den sich ein Ungeheuer vorbehält.
Das lässt mich schaudern – und auch meine Kinder, die Albträume bekommen, wenn sie sich seine Gestalt und seine Kräfte ausmalen. Es ist ein Niedergeist, davon bin ich überzeugt. Die Feen waren nicht schnell genug, um ihn bei der Teilung von Leiland zu vertreiben, und der Hexergeist Ibbak hat ihn wohl in Ruhe gelassen. Ein Monster, das ohne Reue mordet, konnte ihm ja auch nur gefallen. Tausende von Gliedmaßen und Leichen sind aus dem Verbotenen Wald hervorgeschleudert worden, wann immer Expeditionen durchgeführt worden sind, um sich des Ungeheuers zu entledigen …«
»Oh, das stimmt, Mama hat mir früher davon erzählt«, bemerkte Erby, der sich nicht länger zurückhalten konnte.
Der Junge mit dem Buch sagte nichts. Er lächelte sogar und entblößte dabei zwei große, unregelmäßige Schneidezähne. Wie oft hatte man auch ihm davon erzählt? Es gab so viele Geheimnisse in Leiland. Enkil hatte recht, Leiland war
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