Die Rebellin von Leiland 2: Das Gift des Herzogs (German Edition)
Stimme wurde ernst, und es gelang ihr, Andin die offizielle Version der Tatsachen zu erklären: » Vierzig verrückte Männer haben alle kleinen Kinder im ganzen Land getötet, auf dass das Volk dasselbe Leid erleben möge wie der König beim Tode seiner dritten Tochter. Ophelias Mutter war eine der Frauen, die das Massaker miterlebt haben und schwanger waren, ohne es zu wissen. Sie hatte solche Angst, dass es dreizehn Jahre gedauert hat, bis sie den Mut aufbrachte, ein weiteres Kind zu bekommen. Die meisten Frauen haben genauso reagiert wie Ophelias Mutter, und die Kinder der Angst, wie wir sie nennen, die in den folgenden zehn Jahren zur Welt gekommen sind, sind im ganzen Land wohl nicht mehr als hundert an der Zahl.«
Sie zog sich aufs Pferd und galoppierte, ohne auch nur auf Andin zu warten, auf die Fetzen von Tageslicht zu, die zwischen den Buchen hindurchdrangen. Der junge Mann begriff, dass das Gespräch wieder einmal einen wunden Punkt gestreift hatte. Er holte sie in der Nähe von Büschen ein, die von Waldrebenranken umwuchert waren und das Ende des Verbotenen Waldes bezeichneten.
» Also bist du ein Kind der Angst?«, erkundigte er sich dennoch.
Elea sah ihn an. Sie würde nicht mehr mit ihm reden. » Wenn du so willst…«
Froh, einen Vorwand zu haben, ihre schmerzlichen Geständnisse abzubrechen, verließ sie den Wald. Sie stand auf der Klippe. Zu ihrer Rechten und zu ihrer Linken schien jeweils ein weißer Stein im Boden zu versinken. Gegenüber, auf der anderen Seite der riesigen Schlucht, vermittelten zwei runde Felsbrocken denselben Eindruck; sie markierten die Eckpunkte eines Rechtecks über der Leere. Andin erkannte den Ort, an dem er einst eine Nacht verbracht und die junge Frau in seiner Nähe gespürt hatte.
» Ich brauche dich, und das weißt du. Aber nur morgen Abend. Wenn ich dich jetzt bitte, mitzukommen, dann, um dir zu beweisen, dass ich nicht so böse bin, wie du glaubst.«
Andin lächelte angesichts dieser Überlegung leicht.
Als er einen Schritt auf sie zutrat, erschien ein köstliches Lächeln auf ihrem Gesicht. Sie wandte sich der Schlucht zu und sprang ins Leere. Der junge Mann schrie beinahe auf, aber sie blieb in der Luft, als hinge sie an durchsichtigen Fäden. Elea schien das klaffende Loch auf einer unsichtbaren Brücke überqu eren zu können. Sie begann, offen und spöttisch zu lachen.
» Na los, komm schon!«, sagte sie. » Du gehst keinerlei Risiko ein, solange du innerhalb des Feldes bleibst, das die weißen Steine markieren.«
Reichlich überrascht und einen Moment lang ganz aus der Fassung gebracht wollte Andin ihr folgen, aber Nis stemmte sich mit allen vier Hufen gegen jedes Weitergehen. Obwohl Andin beharrte, blieb die Stute mit angelegten Ohren so stur wie ein Esel. Elea kehrte zurück, warf einige abgefallene Blätter auf die Leere und führte ihr eigenes Pferd hinüber. Bevor sie die von den Blättern verhüllte Brücke selbst überschritt, trat sie an Nis heran.
» Vertraust du mir etwa auch nicht? Na schön, das ist eindeutig kein guter Tag. Aber dein Herr hat Gründe, mir böse zu sein– du hast keinen einzigen.«
Zurück auf festem Boden streichelte sie Nis zärtlich die weichen, weißen Nüstern.
» Zarkinn ist hinübergegangen. Schau: Er ist schön, groß, stark, intelligent und rassig…«
Indem sie ihrem eigenen Pferd den Rücken zuwandte, beugte Elea sich zu Nis’ Ohr und flüsterte ihr rasch zu: » Aber er ist kein ganz echter Rappe– er hat drei weiße Haare!«
Sie wandte unschuldig den Kopf und betrachtete ihr wunderbares schwarzes Pferd. Zarkinn bemerkte das Lächeln seiner Herrin; er wusste, dass von ihm gesprochen wurde, und hatte seinen Namen gehört. Er sah seltsam überlegen, aber zugleich sehr misstrauisch drein.
Elea fuhr fort, Nis die Nüstern zu streicheln.
» Hältst du dich etwa für weniger fähig als Zarkinn, wenn du zögerst, zwischen den Weißen Steinen hindurchzugehen?«
Was hatte Nis da gehört? Sie richtete die Ohren auf und wollte sich ins Leere stürzen.
» Sachte, meine Schöne«, beruhigte Elea sie. » Warte wenigstens auf deinen Herrn!«
Die junge Frau trat unter dem Kopf der Stute hindurch und streckte, während sie Nis weiter am Zügel hielt, eine Hand zu Andin aus. Der junge Mann zögerte einen Sekundenbruchteil lang, vielleicht erstaunt über diese Geste, und schlang dann die Finger fest um die dargebotene Hand.
» Sie wird morgen Abend zurückkehren, Euer Gnaden. Sie hat davon gesprochen, in die Dunklen
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