Die Rebellin von Leiland 3: Die Gefangene des Tyrannen (German Edition)
du das schon verstehen«, antwortete Andin. »Aber worum geht es in diesem so kostbaren Buch? Vater hat mir, als ich noch ein Kind war, mehrfach erzählt, dass es Enkils Memoiren gibt, mir aber nie mehr darüber verraten.«
»Weil das Buch dir mehr als jedem anderen bestimmt ist und er Angst hat.«
Elea zuckte nicht mit der Wimper. Sie hatte in letzter Zeit lange nachgedacht. Auf sie trafen zwar alle Eigenschaften zu, die eine Streiterin der Feen hätte haben müssen, und sie verfügte über alle notwendigen Fähigkeiten, aber ohne Andin, der ihr geholfen hatte, als sich alles gegen sie gewendet hatte, wäre es ihr niemals gelungen, den Frieden in Leiland zu erhalten. Er war stärker, freier und vor allem weniger gefühlsbetont. Sie hatte zwar den Willen, gegen Korta zu kämpfen, aber nur Andin war wirklich in der Lage, ihn auch zu töten. Die Annahme, dass er nicht von königlichem Geblüt sei, hatte sie lange an ihren Beobachtungen zweifeln lassen. Aber seit sie erfahren hatte, dass Andin ein Prinz und Nachkomme Enkils war und es sich bei dem alten Schwert, das er an der Hüfte trug, um das seines Vorfahren handeln musste, bestand in ihrem Geiste kein Zweifel mehr.
Während Cedric Andin die Rolle erklärte, die er zu spielen hatte, ging Elea auf, dass es keine Rechtfertigung mehr für die kriegerische Kindheit gab, die sie durchlebt hatte. Sie hatte den Eindruck, den Boden unter den Füßen zu verlieren und niemandem mehr etwas nütze zu sein. Als Cedric die Vermutung aufstellte, dass sie vielleicht dazu gedient hatte, Kortas Aufmerksamkeit abzulenken, und Andin sie zum Dank küsste, konnte sie wieder ein wenig lächeln. Dass er genauso geworden war, wie er war, schien ihr jeden beliebigen Kampf wert.
Am immer noch hellen Himmel flammten langsam die beiden Monde auf. Elea unterbrach das angeregte Gespräch der beiden Brüder über ihren Vater und sein Schweigen und brachte sie dazu, den Kopf zu heben:
»Seht, Ihr Herren! Dieses Königreich ist zwar kleiner als die Welt des Ostens, aber es ist so kostbar, dass die Gottheiten mit beiden Augen darüber wachen. Sie zählen auf dich, Andin.«
Der Gedanke an ein Duell mit Korta konnte ihm nur gefallen. Dass dabei der Frieden einer Welt auf dem Spiel stand, ließ ihm allerdings schwindlig werden. Aber Andin gewann bei Eleas Worten eine gewisse Gemütsruhe zurück; die Feen hatten die Liebe seines Lebens beschützt, also konnten sie alles Mögliche von ihm verlangen. Das Spiel, die Gestirne zu Personen zu machen, gefiel ihm, und so neigte er respektvoll den Kopf vor der blassen, bereits sternengeschmückten Stirn des Abends.
Die Festung Yil erstrahlte im Licht tausender Kienspäne. Sie beleuchteten hohe Steinmauern und warfen die Schatten der Soldaten aus Pandema darauf. Die Patrouillen wechselten sich auf den Wehrgängen ab, während im Inneren der Umfriedung behelfsmäßige Lager aufgeschlagen wurden. Die Rapsfelder ringsum gestatteten einen meilenweiten Rundblick: Man konnte jedes Feuer in der benachbarten Ortschaft sehen, und das Licht, das die beiden Monde spendeten, ließ jeden erkennen, wo der andere stand.
In diesen Mauern hatten einfache Bauern vor wenigen Wochen Kortas Streitkräfte zurückgeschlagen. Heute Abend war die Festung uneinnehmbar.
In den Gängen des gewaltigen Wohngebäudes, das an der Südflanke errichtet war, hörte man trotz der dicken Teppiche noch immer das Klirren der eisernen Rüstungen der Soldaten. Ein riesiger, vertäfelter Saal, der von großen Kerzenleuchtern erhellt wurde, war aus diesem Anlass bereit gemacht worden. Die Fahnen von Leiland und Pandema waren neben den Wandteppichen aufgehängt worden, die in warmen Farben allegorische Darstellungen zeigten. An einem großen, klobigen Tisch, der von mit Samtkissen gepolsterten Stühlen umgeben war, saßen der König von Pandema und sein Gefolge. Der aus schönem, weißem Stein gemeißelte und mit prächtigen Einlegearbeiten aus Marmor verzierte Kamin gewann, wie das ganze Herrenhaus, seine seit Jahren vergessene Funktion zurück.
Nachdem er seine Königin, seinen mittleren Sohn und die paar Adligen, die ihn begleiteten, vorgestellt hatte, lauschte der Herrscher aufmerksam den Namen, die der Falke auf einer Stuhllehne sitzend vortrug: Die beiden Hoheiten des Königreichs, der Oberalchemist Erwan Al Kyort, Ceban der Unverschämte, Sten der Riese und die beiden ehemaligen Soldaten Allan und Theon verneigten sich jeweils, wenn sie an der Reihe waren. Der König von Pandema erwiderte
Weitere Kostenlose Bücher