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Die Rebellin von Leiland 3: Die Gefangene des Tyrannen (German Edition)

Die Rebellin von Leiland 3: Die Gefangene des Tyrannen (German Edition)

Titel: Die Rebellin von Leiland 3: Die Gefangene des Tyrannen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magali Ségura
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Der Junge hatte die Albträume und die Angst im Dunkeln, die er in seiner Kindheit gehabt hatte, noch nicht völlig hinter sich zurückgelassen. Er folgte seinem Herrscher halb ängstlich, halb fasziniert, zuckte noch beim geringsten Geräusch zusammen, starrte aber in die Dunkelheit, als wollten ihm vor Neugier schier die Augen aus dem Kopf treten.
    Er hatte von diesem Gang gehört, den, wie man munkelte, der König und die Königin in ihrer Jugend oft benutzt hatten. Aber niemand hatte je bewiesen, dass es ihn wirklich gab, und nach dem Tode der Königin war die Geschichte in Vergessenheit geraten.
    Es waren Hunderte von Stufen, die in Thalans Augen vielleicht gar zu Tausenden wurden. Es gab kein Ende, keine Decke. Die Wendeltreppe führte in einer langen Spirale in die Eingeweide der Erde hinab. Thalan sah nur Wände aus großen, dunklen Steinblöcken, einige Bögen, die einen Augenblick lang beleuchtet wurden, und ein oder zwei Schatten, die dann und wann über die Wände huschten. Die Stille war die der Nacht, atemlos, kaum vom Tappen pelziger Pfoten gestört.
    Sie stiegen immer weiter unwiderruflich hinab, der König gleichmütig voran, der Page zögerlich hinterher. Ein Geruch nach fauliger Erde stieg auf; es regte sich auch ein kleiner Luftzug. Auf welcher Höhe befanden sie sich im Verhältnis zum Erdboden oder zu den Burggräben?
    Der König betätigte einen weiteren Mechanismus. Das fahle Licht ließ erkennen, dass die Steine nun braunem Fels wichen. Thalan zog daraus den Schluss, dass sie die Höhlen des Etelbergs erreicht hatten.
    Der König schien zwischen den Zacken der feuchten Felswand etwas zu suchen und murmelte ein Wort in seinen Bart, das wie »Opaline« klang. Der Page konnte jedoch nicht verstehen, was es bedeutete. Dann setzte der König ohne Zögern seinen Weg fort, vorbei an mehreren unterirdischen Seen, bis sie nach einer ganzen Weile einen von Menschenhand geschaffenen Ausbau erreichten. Eine der Wände bestand aus großen Steinplatten.
    Der Herrscher betätigte den fünften Stein von links in der dritten Reihe von oben. Jeder Felsen, jede Bewegung, schien ihm vertraut und alltäglich zu sein. Ein weiterer Gang öffnete sich.
    Dort fand der König Kerzenhalter vor. Trotz der Feuchtigkeit, die von einer Quelle ausging, die in einer Ecke entsprang, flackerten rußige Flammen auf. Sie erleuchteten die gesamte Höhle scharlachrot.
    Es handelte sich um eine Art Saal. Der Page entdeckte darin alte Kleidungsstücke in erbärmlichem Zustand, die wie Gehenkte von behelfsmäßigen Haken baumelten, und Waffen, Messer, um genau zu sein. Als hätte der Zahn der Zeit kaum an ihnen genagt funkelten die Klingen im Spiel der Flammen.
    Thalan betrachtete alles, ohne auch nur ein Wort zu sagen: Er wurde Zeuge der Launen eines Königs und einer Königin, der verblichenen Erinnerung an eine glückliche Zeit. Alles tanzte im Takt der Flammen um ihn herum. Er lernte seinen Herrscher kennen.
    Der König legte seine schwere Krone, seinen Prunkmantel und seine kostbaren Halbschuhe ab. Dann streifte er ein weites, altes Gewand aus brauner Wolle und eine Gugel über. Anschließend nahm er einen breiten Gürtel, der eine Anzahl von Messerscheiden trug, die der König alle bestückte. Er legte ihn sich um die von den Jahren und Festmahlen gerundete Taille und schloss ihn im letzten Loch. Dann zog er alte Schuhe an und hüllte sich zuletzt in einen weiten, grauen Umhang, der schon fadenscheinig und am Saum ein wenig eingerissen war.
    Wo war der König?
    Der Page sah zu, wie die Verwandlung erfolgte, ohne daran glauben zu können. Der Herrscher steckte nun in der Haut eines Vagabunden, eines Bettlers, der sich das Gesicht hier und da schwärzte, um seine zu weiße Haut und seinen zu gepflegten Bart zu verbergen. Ein armer Schlucker mit schmutzigen Händen, ohne Bindungen und ohne den königlichen Ring, der das Symbol seiner Macht war. Thalan gefiel die Veränderung nicht. Er liebte seinen König und ertrug es nicht, ihn so zu sehen.
    Vielleicht war es das Lächeln des Königs, das ihn tröstete. Der Page bemerkte dass sich der König, obwohl er noch ganz nostalgisch war, auf bestem Wege befand, neu geboren zu werden. Ohne weiteres Zögern ergriff der Junge seinerseits einen zerlumpten Umhang und spielte das Verkleidungsspiel mit.
    Kein Titel, nicht einmal ein »Ihr«. Thalan fühlte sich nicht in der Lage, sich an diese neue Etikette zu halten. Der König packte ihn an der Schulter und zog ihn durch eine Reihe weiterer

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