Die Rebellin von Leiland 3: Die Gefangene des Tyrannen (German Edition)
unedler Herr!«
Der König zog die Tür hinter sich zu. Ein Mann erschien genau in diesem Moment auf dem Gang. Dunkelgraue Hose, Silbergürtel, nackter, bleicher Oberkörper, platinblondes Haar, türkisfarbene Augen: Muht Dabashir. Der König musterte ihn mit triumphierendem Lächeln. Der Scylenkrieger begriff sofort, was vorging. Dann sorgte ein unerträglicher, plötzlicher Schmerz dafür, dass der Herrscher all seine Herrlichkeit verlor. Eine Hand auf den Bauch gepresst stützte er sich mit der anderen an der Wand ab, während er gequält das Gesicht verzog. Er blickte in den verlassenen, nächtlichen Korridor hinter Muht. Der Gang war schwach beleuchtet und nur von Rüstungen und Statuen bevölkert. An allen Gliedern zitternd rempelte der König den Scylenkrieger an, als sei er durchsichtig, und schlug den Weg zu seinem Schreibzimmer ein.
Muht blieb einen Moment lang reglos stehen. Konnte er Korta zur Hilfe kommen? Der Hexergeist Ibbak bildete für den Herzog die einzige Hoffnung: Er konnte ihn am Leben erhalten und heilen. Aber wollte Muht das auch? Er wurde sich bewusst, dass er, falls der Herzog starb, dessen Platz im Kampf zwischen den Gottheiten würde einnehmen müssen. Gegen Prinz Andin kämpfen? Wäre er sich da sicher gewesen, zu gewinnen? Er war nicht nach Leiland gekommen, um zum Streiter der Gottheiten zu werden. Und dennoch… All seine ehrgeizigen Träume würden dann vielleicht Wirklichkeit werden. Wenn diese Geschichte ihm nicht über den Kopf wuchs, bevor… Er zögerte und trat dann ein.
Korta stand aufrecht; beim Erscheinen des Scylen blieb er wie gelähmt und stumm. Er konnte nicht glauben, was ihm der König gesagt hatte. Aber die Hände begannen ihm zu zittern. Mit vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen betrachtete er sie: Sein gesamter Körper entglitt seiner Kontrolle. Auf einmal hatte er das Gefühl, ihm würden die Eingeweide herausgerissen. Er bäumte sich unter den Schmerzen auf, fiel auf die Knie und streckte hilfesuchend die Hand nach Muht aus. Der Scylenkrieger zögerte noch immer, denn er war sich unsicher, wie er sich entscheiden sollte. Er wusste nicht, was ihn letztendlich dazu trieb, Korta am Arm zu packen und den Hebel am Kamin einrasten zu lassen.
Sie stiegen die Treppe hinunter. Korta war nahe daran, die Stufen auf dem Bauch hinabzurutschen. Seine Heilung hing von seiner Schnelligkeit ab. Er begann den Namen der bösen Gottheit zu schreien. Seine Stimme verklang in der Tiefe, während der gewaltige Kamin sich wieder schloss.
Als der Scyle und der Herzog verschwunden waren, klopfte jemand anders an Kortas Tür. Nachdem sie einige Sekunden abgewartet hatte, schlüpfte Mistra, die Anstandsdame der Prinzessinnen, in das große Zimmer.
»Gnädiger Herr?«, fragte sie wollüstig. »Der Sohn des Herzogs von Yil, der junge Thalan, treibt sich bei den Gemächern der Prinzessinnen herum. Ich glaube, er ahnt etwas. Euer Gnaden?«
Die kleine, vertrocknete Frau wagte sich in die anderen Gemächer des Herzogs von Alekant vor, um nach ihm zu suchen. Sie konnte nicht anders, als sich vor einem eindrucksvollen Spiegel ein wenig zurechtzumachen.
»Dieser Junge wird noch den Gang entdecken, der zu den Zellen führt, wenn Ihr nicht Euren… Euren Kolossen Bescheid sagt«, fuhr sie fort und strich sich das Kleid glatt.
Sie warf einen letzten Blick ins Zimmer, stellte fest, dass sie offenbar allein war, und kehrte in den ersten Raum zurück. In dem zu eng geschnürten Korsett, mit dem sie sich ausstaffiert hatte, fühlte sie sich unbehaglich und wartete einige Augenblicke ab, bevor sie eine Entscheidung fällte.
Das Wolfsgeheul zerriss die Nacht. Es hallte in allen Gängen des Palasts wider. Mistra hatte Angst vor solchen Tierlauten. Sie blickte zu den Gestirnen empor, ohne etwas zu verstehen. Die Monde waren heute Abend sichelförmig, nicht voll. Warum begannen die Raubtiere da zu heulen? War das ein böses Omen?
Gedankenverloren sah sie das Glas des Herzogs auf einem Tisch stehen. Ihre Finger, die so mager wie Hühnerfüße waren, näherten sich ihm begehrlich. Sie hatte gehört, wie junge Dienerinnen einander erzählt hatten, dass es genügte, aus dem Glas des Mannes zu trinken, den man im Sinn hatte, und dabei die Gottheiten anzurufen, um an seinen Träumen teilzuhaben und von ihm geliebt zu werden. Mehr brauchte es nicht, um die alte Jungfer, die in unverbrüchlicher Liebe zum Herzog von Alekant entbrannt war, zum Handeln zu verleiten. Sie sah sich rasch um und stürzte in einem
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