Die Rebellin von Leiland 3: Die Gefangene des Tyrannen (German Edition)
Zug den restlichen Wein hinunter.
Mistra sah Korta niemals wieder und teilte mit ihm nichts als den Schmerz, der ihrem Tod vorausging.
Thalan hielt den Atem an. An die Steinwände der Höhlen des Etelbergs geschmiegt, die sein Wams durchfeuchteten, verfolgte der Junge einen grobschlächtigen Kerl mit olivfarbener Haut. Er hatte Angst und zitterte an allen Gliedern. Die Worte Gefahr, Schmerz, Gefängnis und Tod tönten in seinem Kopf, aber er setzte die Beschattung fort. Er sah die Geschicklichkeit und Kaltblütigkeit seines Königs wieder vor sich und hörte die Worte über Mut und Klugheit, die sein Vater einst an einem Herbsttag zu ihm gesprochen hatte. Sein Wagemut erwuchs aus seiner Bewunderung für diese beiden Männer. Für sie würde Thalan bis zum Äußersten gehen.
War es denn möglich, dass der Herzog von Alekant die Prinzessinnen in ein Verlies gesperrt hatte?
Mithilfe der Spitzelei, zu der er nie fähig zu sein geglaubt hatte, war es Thalan gelungen, diese entsetzliche Entdeckung zu machen. Es fiel ihm noch immer schwer, daran zu glauben. Die Suche nach der Wahrheit trieb ihn über die Grenzen seines Muts hinaus. Wenn seine Prinzessinnen in Gefahr waren, musste er ihnen helfen, wenn sie gefangen waren, musste er sie befreien. Treue, Loyalität und Eid gingen ihm durch den Sinn, wann immer ihn das Bedürfnis zu fliehen, oder der Gedanke an die Wahnsinnstat, die er gerade beging, überkamen.
Der wuchtige Koloss war in einen anderen Gang abgebogen und verschwunden. Thalan löste lautlos eine Fackel aus ihrem Eisenring und stellte sich auf die Zehenspitzen. Mit dem Rauch der Flammen zeichnete er eine schwarze Markierung ins Felsgewölbe und sicherte so nur für den Fall seinen Fluchtweg. Dann bog er ebenfalls um eine Felsformation und sah wieder den massigen Schatten von Kortas Mann vor sich.
Die Dunkelheit beeindruckte Thalan nicht mehr. Er gewöhnte sich sogar an den Geruch nach abgestandener Luft und Fäulnis. Seine leichten Lederschuhe glitten über den Fels, ohne ein Geräusch zu verursachen, während er dem Klappern der Sandalen folgte. Der Junge hatte für den Augenblick Glück: Niemand ahnte, dass er in diesen Gang vorgedrungen war, und in den Korridoren der Kerker schienen nur der Koloss und er unterwegs zu sein.
Der Mann mit der olivfarbenen Haut war gerade vor einem Gitter stehen geblieben. Thalan duckte sich in eine Nische. Der Schläger schien sich zu räuspern und zu grollen.
Hoffentlich hat er keine weiteren Männer getroffen!, betete Thalan.
Aber er hörte, wie ein Tablett umgestoßen wurde, und dann eine Frauenstimme.
»Verschwindet!«, schrie sie in höchster Aufregung.
Thalan erkannte sofort Prinzessin Elines Stimme. Sein Herz machte in seiner Brust einen Satz nach vorn. Er hatte keine Angst mehr und fror auch nicht länger, denn nun brannte ihm das Wort »Retter« im Gehirn. Es gelang ihm, seinen Eifer zu zügeln, bis der Koloss aus seinem Blickfeld verschwunden war. Dann rannte er zur Kerkerzelle der Prinzessinnen und blieb vor dem Gitter stehen. Der Gestank und die Widerlichkeit des Orts erschütterten ihn. In dem Verlies lag ein Körper ausgestreckt, ein weiterer schien zu beten.
»Prinzessin Eline?«, rief er leise.
Ein Gesicht von bezaubernder Schönheit und Blässe wandte sich ihm zu. »Thalan?«
Aber der Page konnte nicht mehr antworten. Einen Moment lang hatte er Eline wie erstarrt in die Augen gesehen, dann hatte er den Kopf vor dem Verbotenen gesenkt. Nun schluckte er seinen eigenen Speichel hinunter: Er war dem Tode geweiht!
»Thalan, wie seit Ihr bis hierher vorgedrungen?«, fragte die junge Prinzessin und kniete am Gitter vor ihm nieder. »Ihr seid in Gefahr! Der Schläger wird zurückkommen! Bleibt nicht hier. Geht, sagt meinem Vater Bescheid!«
Sie hatte ihn am Handgelenk gepackt, um ihn zu schütteln. Er reagierte nicht.
»Thalan? Hört Ihr mich?«
Er hob erneut den Blick zu ihr. Langsam.
»Ihr… Ihr seid so schön«, stammelte er und vergaß alles bis hin zu seinem Auftrag.
Eline unterdrückte ein Lächeln.
»Ich bezweifle, dass dies der rechte Ort und der passende Zeitpunkt sind, um mir solche Komplimente zu machen. Kümmert Euch nicht um mein Gesicht, sondern tut, was ich Euch… Vorsicht!«
Eine Hand war auf den Pagen niedergefahren und zerquetschte seine knochige Schulter. Als Thalan sich zu der steinernen Masse umdrehte, die ihn um gut zwei Köpfe überragte, glaubte er, sein letztes Stündlein hätte geschlagen. Mit seinen dicken Händen packte
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