Die Rebellin von Leiland 3: Die Gefangene des Tyrannen (German Edition)
gezwungenen Lächeln. »Es gibt nicht den geringsten Grund, Angst zu haben. In diesem Gewässer leben nur Aale.«
»Aale?«, kreischte Elisa mit angeekelter Miene.
»Ich mag sie auch lieber, wenn sie zu Pasteten verarbeitet worden sind.«
Eline belog sich selbst. Sie versuchte zu scherzen, um die Umgebung zu vergessen und alles ins Lächerliche zu ziehen, aber hier war nichts zum Lachen. Alles war schlammig.
Die größte Kraft floss Eline aus der klammen Hand zu, die ihre Finger umschlangen. Ihre kleine Schwester zitterte wie Espenlaub und zuckte zusammen oder schrie sogar auf, wenn sie auch nur die kleinste Gestalt im Nebel zu erkennen meinte. Eline schöpfte ihren Mut aus Elisas Angst. Ihre Einbildungskraft wollte aus den Wolken, die sie streiften, Ungeheuer erschaffen. Dämonen huschten ihnen im Plätschern des Wassers nach, aber ihre Vernunft rief ihr Onemies Worte wieder ins Gedächtnis. Eline erinnerte sich ruhig an den natürlichen Ursprung jedes ungewohnten Lauts.
Ihre Kaltblütigkeit beruhigte nach und nach Elisa, die sich lächerlich vorkam. Aber wenn sie auch nicht mehr hysterisch zu werden drohte, gelang es ihr doch nicht, ihre Schreie zu unterdrücken. Ihr Herz zog sich dann und wann so heftig zusammen! Sie war doch erst vierzehn Jahre alt.
Obwohl es ihr schwerfiel, ließ sie jedes Mal die Hand ihrer älteren Schwester los, wenn sie von Stein zu Stein springen mussten. Sobald sie wieder nebeneinander standen, packte sie beinahe gewaltsam zu. Es gelang ihr nicht, sich auf etwas anderes als dieses undurchsichtige, zitternde Wasser zu konzentrieren. Sie musterte aufmerksam jede Blase, die an die Oberfläche stieg, und vergewisserte sich, dass sich auch wirklich kein Tier darin befand. Der seltsame Geruch stieg ihr zu Kopfe. Kleine Lichter ließen ihr alles vor den Augen verschwimmen und verstärkten ihre Furcht nur umso mehr.
Der Weg aus Steinen schien kein Ende nehmen zu wollen, ganz wie ihre Flucht. Manchmal hob sich ein großer, flacher Felsen von den anderen ab. Er bezeichnete jeweils eine Kreuzung oder eine Weggabelung. Die Prinzessinnen mussten manchmal umkehren, weil die Steine immer kleiner wurden und im Wasser verschwanden, so dass eine Sackgasse entstand. Die jungen Frauen versuchten, geradeaus zu gehen, aber hier war alles, was rechtwinklig wirkte, krumm.
Die Felsen waren bald rutschig geworden. Elisa, die auf alles, nur nicht auf ihre Füße, achtete, glitt am Ende aus. Eline fing sie rasch auf, aber dennoch geriet die junge Prinzessin, die das Gleichgewicht verloren hatte, mit den Füßen ins Wasser. Der See war nicht tief; Elisa wurde nur bis zu den Waden nass. Aber an den Knöcheln spürte sie etwas Klebriges. Das junge Mädchen stieß einen durchdringenden Schrei aus und sprang wie eine Furie wieder aus dem Wasser hervor. Sie klammerte sich an ihre Schwester und schrie so laut ihre Angst heraus, dass Eline unter ihrem fadenscheinigen Kopftuch die Haare zu Berge standen. Sie rannten bis zu einem großen Stein, der eine Kreuzung markierte. Es fiel Eline sehr schwer, sich nicht von Panik übermannen zu lassen. Sie drückte ihre Schwester an sich, die in fürchterlichen Wahnvorstellungen befangen war: Prinzessin Elisa war nur noch ein Nervenbündel und in Tränen aufgelöst. Stück für Stück gelang es ihr, ihr Entsetzen auf Eline zu übertragen.
»Wir werden hier nie wieder herauskommen!«, schrie sie.
»Beruhige dich, Elisa, ich flehe dich an!«, rief Eline und umschloss das Gesicht ihrer Schwester mit den Händen.
Die verängstigte junge Prinzessin hatte sechs Jahre ohne jeglichen Hauch eines Albtraums geschlafen und erinnerte sich nicht einmal an die geringsten Schmerzen. Ihren ersten wachen Tag würde sie aber nie und nimmer vergessen! Sie war rot im Gesicht, schwitzte und presste die Lippen zusammen, um Schreie zurückzuhalten. Ihre allzu glänzenden Augen waren so groß wie ihre Angst. Elisas Zustand entsetzte Eline. Sie schloss die Arme fest um sie, um so gut wie möglich das unkontrollierte Zittern ihrer Glieder zu beruhigen.
»Feen des Lebens! Helft uns, helft uns«, betete Eline.
Sie spürte, dass es ihr nicht mehr viel länger gelingen würde, ihre eigene Furcht zu verbergen. Unruhig hob sie den Kopf und suchte dieses dunkle, neblige Universum mit Blicken nach irgendeiner Spur der Gottheiten des Guten ab. In ihrem Glauben war sie bereit, allem zu folgen, sogar dem Raunen des Windes. Die Prinzessin fühlte sich auf ihrem Steininselchen völlig verloren: Sie war hilflos
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