Die Rebellin von Leiland 3: Die Gefangene des Tyrannen (German Edition)
und nicht in der Lage, ihre Schwester vor der Panik zu schützen, unfähig, den Ausgang aus dieser Hölle von Dünsten zu finden.
»Vater, führt mich, ich schaffe es nicht«, murmelte sie und brach doch noch in Tränen der Schwäche aus.
Doch sie setzte ihre Gebete nicht länger fort. Sie vergaß sogar zu weinen. Ein Leuchten zeichnete sich hinter den Dunstschleiern ab. Eline schwieg einen Moment lang. Träumte sie? Erlag sie aufgrund des Gases, das aus dem Wasser aufstieg, Halluzinationen? Kam dort etwa der Herzog mit seinen Männern? Das Licht rührte sich nicht, es war immer gleich hell und blieb an Ort und Stelle. Vielleicht drang der Schein aus einer Hütte am Ufer der Furt der Fünf Flüsse? Hoffnung keimte in Elines Herzen auf. Da hatte sie ihr Trugbild, den Ruf der Feen.
»Elisa, Elisa, sieh doch! Ein Licht! Wir sind gerettet! Wir werden hier herauskommen!«
Dieser Gedanke beruhigte Elisa. Alles, was sie wollte, war, diesen Ort hinter sich zu lassen. Ohne Zögern folgte sie ihrer Schwester.
Das Licht wurde immer deutlicher. Es schien sich auf dem Weg zu befinden, der offenbar nicht im Leeren endete, bevor sie die Helligkeit erreichen konnten. Elisa beschleunigte ihre Schritte. Sie sprang unermüdlich von Stein zu Stein. Die Hoffnung verlieh ihr Flügel. Sie würde das Land unter den Sternen entdecken, sie würde dieses Universum von Schrecknissen verlassen, das sie seit ihrem Erwachen durchschritten hatte.
Die Nebelschwaden zerfaserten; Schatten erschienen, die Freiheit funkelte in diesem Feuerstern– und wenn es nur die Freiheit des Todes war. Als der letzte Schleier verschwunden war, erkannte Eline entsetzt das Gesicht, das die Fackel beleuchtete.
»Ich bin entzückt, Euch wiederzusehen, Prinzessin Eline«, lächelte Korta genüsslich. »War Euer Abendspaziergang angenehm? Ich wusste, dass Ihr bis hierher gelangen würdet.«
Erneut war es der Herzog! Immer nur er! War es unmöglich, ihm zu entkommen? Gab es denn keinerlei Hoffnung?
Den Blick starr auf den unbesiegbaren Herzog gerichtet wollte Eline schreien, aber die Stimme versagte ihr. Sie spürte, wie eine Hand sie am Arm packte. Alles war vorbei. Aber sie wurde nicht zu Korta geschleift, sondern in die entgegengesetzte Richtung: Elisa zog sie von neuem in die unheimliche Furt hinein.
Das war Wahnsinn, es hatte doch keinen Zweck, er würde sie immer wieder einholen! Immer wieder!
»Lauf, Eline! Lauf!«, schrie Elisa ihr zu, um sie aus ihrer Erstarrung zu reißen.
»Fangt sie!«, brüllte der Herzog hinter ihr. »Sie werden nicht weit kommen! Folgt den Steinen!«
Elisa, die hübsche Prinzessin, die vor einigen Stunden noch geschlafen und vor wenigen Minuten geweint hatte, nahm plötzlich die Dinge in die Hand. Diesmal war sie es, die die zusammengesunkene Eline mitzog. Als sie Stiefeltritte auf den Felsen und das Geräusch aufspritzenden Wassers hörte, begriff sie, dass ihre einzige Chance darin bestand, den Weg zu verlassen. Sie musterte den See angewidert, denn sie erinnerte sich noch an das, was sie dort gestreift hatte. Dann sprang sie und zog ihre Schwester mit. Sie glaubte, den Verstand zu verlieren, als ein klebriger Körper ihre Knöchel umschlang. Und sie hörte, wie Eline aufschrie und wieder zur Besinnung kam.
Trotz ihres Ekels begannen die Prinzessinnen durchs Wasser zu laufen, um vor Korta, seinen Soldaten und den Aalen zu fliehen. Der Schlick sank unter ihren Füßen ein und setzte Millionen von Gasblasen frei. Algen und warmes Wasser spritzen auf. Die beiden Prinzessinnen rannten so schnell sie konnten, kletterten über weiße Steine, um sich wieder bis an die Oberschenkel in den See zu stürzen, und zitterten vor Angst. Mehr als einmal fielen sie ins Wasser, standen gemeinsam wieder auf und verloren unterwegs ihre Kopftücher und Umhänge. Sie wären auch geschwommen, um zu entkommen, wenn ihre Lumpen sie nicht dabei behindert hätten. Ganz gleich wohin und wie, sie mussten fliehen!
Im dichten Nebel verloren Kortas Männer sie rasch aus den Augen. Die Geräusche ihrer Flucht schienen in den Dämpfen wie zwischen Wänden widerzuhallen. Die Soldaten machten selbst zu viel Lärm. Sie hatten sich verlaufen.
Elisa half Eline, sich aus dem Wasser auf einen Stein zu ziehen. Einen Moment lang blieben sie reglos stehen, schöpften Atem und lauschten auf ihre Verfolger. In der Ferne hörten sie gedämpfte Stimmen. Auch Schreie ertönten, die gelegentlich der Furcht geschuldet waren: Die Trugbilder hervorrufenden Dünste trieben
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