Die Rebellin von Leiland 3: Die Gefangene des Tyrannen (German Edition)
dass sie keine Schleier mehr trug, ja, sogar den Grund für ihre Flucht. Die ernsten Blicke, denen sie begegnete, machten ihr Angst, ebenso die albtraumhafte Umgebung. Sie flüchtete vor allem. Elisa war nicht einfältig, vielleicht noch nicht einmal mehr ein Kind, aber von Zeit zu Zeit verstand sie gar nichts mehr.
Sie ergriff die Hand, die Eline ihr hinstreckte. Beim Anblick der Lederkordeln und gekrümmten Klingen, die ihre vier männlichen Begleiter zückten, schrak sie noch nicht einmal zurück. Sie sah kaum die Schatten der drei Kinder auf die Pferde der Wachsoldaten zuhuschen. Die Kleinen waren so schnell, dass Elisa den Eindruck hatte, stählerne Blitze die Sattelgurte durchtrennen zu sehen. Kurz darauf waren die Kinder schon hinter einigen Fässern verschwunden, die von einem Karren abgeladen worden waren. Elisa ließ sich hinter Onemie her in eine weitere Nische führen. Sie sah nur, wie eine der kleinen Hände sich aus dem Versteck hervorwagte, um Kieselsteine aufzusammeln.
Dann bemerkte die junge Prinzessin, dass die vier Männer nicht mehr bei ihnen waren. Sie sah sich um und erkannte, dass ihre knochigen Gestalten mit den Stadtmauern verschmolzen. Auch in diesem Fall nahm sie nicht mehr wahr als ein Funkeln von Metall unter dem Hals der beiden Wachsoldaten. Die Stille dieses Todes ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren und weckte ihren Verstand. Sie begriff, dass sie bald loslaufen mussten.
Das Signal war ein Aufschrei. Einem von Onemies Freunden war es nicht gelungen, einen der Wachsoldaten zu überrumpeln. Plötzlich ging alles sehr schnell. Muht bemerkte einen der Männer und erspähte seine Absichten. Korta reagierte sofort und eilte die Treppe hinunter, um zum Stadttor zu gelangen. Da traf ihn ein Stein an der Schläfe und ein weiterer an der Stirn, bevor er auch nur hatte zusammenzucken können. Er war wie betäubt. Mit blutigem Gesicht duckte er sich hinter die Brüstung der Mauer und gab den Befehl zum Angriff.
Aber die wenigen Wachsoldaten, die noch am Leben waren, wussten nicht, wen sie festnehmen sollten. Die Dörfler, die sich in der Nähe des Tors aufgehalten hatten, stoben ungeordnet und unaufhaltsam auseinander. Hinter den Fässern schrien rachsüchtige kleine Stimmen Beleidigungen und »Tod dem Tyrannen!«, während die Jungen mit teuflischer Zielsicherheit Steine schleuderten. Einem halben Dutzend Soldaten waren die Kehlen durchgeschnitten worden.
Bevor Kortas Leute zur Besinnung kommen oder Verstärkung erhalten konnten, sprangen Eline und Elisa auf den erstbesten freien Karren und trieben die Pferde aufs Tor zu. Ein Soldat wollte sie im Torbogen aufhalten. Obwohl Muht ihn noch warnte, hatte Onemie Zeit, ihm mit aller Kraft ein Brett ins Gesicht zu schlagen.
»Immer geradeaus, Hoheiten!«, schrie sie.
»Nehmt sie fest!«, befahl Korta, der immer noch auf der Mauer festsaß. »Nehmt diese Frau fest!«
Aber schon huschte Onemie über die Leichen und die auf dem Boden verstreuten Waren hinweg davon. Sie rief nach den Kindern und verschwand mit ihren vier Freunden in den dunklen Straßen von Etel.
»Holt den Karren ein, ihr Bande von Tölpeln!«, brüllte der Herzog seinen Männern zu, die den Etelern nachrannten.
»Nein, sie können nicht…«
Muht kam nicht dazu, seinen Satz zu beenden: Die Wachen fielen schon hin, bevor sie auch nur einen Fuß in die Steigbügel hatten stecken können.
»He, Narbenfresse! Sieht ja so aus, als ob deine Häscher Schwierigkeiten hätten, das Gleichgewicht zu halten!«, lachten die Kinder, die noch immer hinter den Fässern hockten.
Korta zog sein Messer und schleuderte es in ihre Richtung. Sie warfen sich gerade noch rechtzeitig auf den Boden.
»Nicht schnell genug, Alter! Willst du lernen, wie man das macht?«, provozierte ihn der Geschickteste der drei.
»Schlitzt ihnen die Bäuche auf!«, befahl Korta seinen Männern. »Und du, Muht, fang die Prinzessinnen ein!«
Die Kinder begriffen, dass es höchste Zeit war, das Weite zu suchen. Sie hörten, dass Verstärkung anrückte. Einem solchen Kampf waren sie nicht gewachsen. Korta gelang es zwischen all seinen Befehlen noch, seine verwirrten Männer in Trupps zu ordnen und wieder loszuschicken. Es glückte ihm sogar, von seinem Sitz hinabzuspringen und rittlings hinter Muht auf einem ungesattelten Pferd zu landen. Zehn Wachsoldaten verließen Etel mit ihnen, um die Prinzessinnen einzuholen. Fünf weitere gingen auf die Kinder los.
Der beste Schütze bestückte seine Schleuder mit einem
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