Die Rebellin von Leiland 3: Die Gefangene des Tyrannen (German Edition)
neuen Stein, um die Flucht seiner Kumpane zu decken. Aber in dem Moment, als er zielen wollte, begann seine Gürteltasche, in der die Schwalbe steckte, sich heftig zu bewegen. Er war verblüfft. Der Vogel war am Leben und zappelte mit unglaublicher Kraft. Er wuchs sogar!
Die Soldaten wollten das zur Salzsäule erstarrte Kind gerade ergreifen, als der Leinenbeutel in Fetzen riss: Mit einem unerwarteten Knurren drangen die Reißzähne eines Löwen daraus hervor. Stierhörner funkelten im hellen Abendlicht und ein halb menschlicher, halb tierischer Körper ragte vor den Männern auf.
Mit Wut im Bauch und blutunterlaufenen Augen sah Joran sich überall um, bereit zuzubeißen. Die Soldaten, die den anderen zur Hilfe eilen wollten, warfen sich zu Boden und schrien vor Entsetzen. Der kleine Junge blieb verdattert stehen, wo er war. Binnen weniger Augenblicke verstand Joran, was geschehen war: Er konnte noch den Staub sehen, der am Stadttor aufgewirbelt worden war.
»Verschwinde, du Schwachkopf!«, zischte er dem Kind zu.
Der Junge hatte vielleicht auf seine Erlaubnis gewartet. Jedenfalls holte er nun wieder Atem, und ganz so, als hätte die Luft ihm seine Reflexe zurückgegeben, schlitterte er über den Boden und rannte wie ein Wilder in die Straßen der Stadt hinein. Er würde sein Leben lang keiner Schwalbe mehr etwas tun, versprochen!
Joran verwandelte sich rasch in einen Raubvogel und flog davon. Er durchschnitt die Luft so schnell, wie es ihm die Muskeln seiner Flügel nur irgend gestatteten. Diesmal würde er die Prinzessinnen nicht verlieren! Er ertappte sich bei einem Gebet an die Gottheiten des Guten, ihm doch wenigstens einen Hauch von Macht außerhalb des Verbotenen Waldes zu verleihen.
Gern wäre er nur eine Minute lang frei gewesen, um die beiden jungen Frauen retten zu können. Niemand wusste, dass er liebevoll all ihre Handlungen und Verhaltensweisen verfolgt hatte, seit Elea unter seinem Schutz stand. Er schwor sogar dem Himmel, dass er sich darauf beschränken würde, seine Gegner ohnmächtig zu schlagen. Aber die Feen antworteten ihm nicht mehr, seit er Elea aus ihrer Wiege entführt hatte.
Muht und Kortas Männer hatten ihre Pferde neben einem Karren gezügelt. Joran eilte hinzu, ohne an das Verhängnis glauben zu wollen. Er flog über Korta hinweg, der wild gestikulierte. Der Herzog schien vor Zorn zu rasen. Die Prinzessinnen waren verschwunden: Sie waren in die Furt der Fünf Flüsse hineingelaufen!
Joran bog sofort ab, als er die Wolkenmassen heranrücken sah, die den Ort die ganze Nacht über heimsuchten. Er war nicht in der Lage, sich in den Wolken zu orientieren. Er wusste nicht, ob die Prinzessinnen die richtige Entscheidung getroffen hatten. Würden sie, die doch das behütete Dasein im Palast gewohnt waren, die Gefühle ertragen können, die über sie hereinzubrechen drohten?
»Und du willst mein Verbündeter sein!«, brüllte Korta. »Du kannst noch nicht einmal eine Flucht vorausahnen! Du hast noch nicht einmal gesehen, dass die Maske Prinzessin Elisa das Gegengift gebracht hatte!«
»Das Risiko bestand bei dem Verhör eben«, verteidigte Muht sich. »Sie hat nicht so wie sonst gedacht, und du hast sie nicht danach gefragt, weil du dir sicher warst, dass sie es nicht würde finden können.«
»Du siehst nichts! Deine Macht ist zu nichts nütze! Du bist schlicht unfähig! Du…«
Die Faust bewegte sich von selbst. Muht hatte sie nicht zurückhalten können. Korta fand sich am Boden wieder; der Fausthieb gegen seinen Kiefer hatte ihn aus dem Sattel geworfen. Die Söldner und Wachen wussten nicht, wie sie sich verhalten sollten: Manche zogen die Waffen, andere warteten ab, was geschehen würde.
»Ich gehe«, verkündete Muht ruhig, während Korta zornig aufstand. »Es hat nie ein Bündnis gegeben; du hast mir nie vertraut. Ich begebe mich zu den Männern, die in der Salzebene postiert sind. Dies hier ist nicht mein Krieg. Utahn Qashiltar ist ein Anführer, dessen Wertschätzung man nur schwer erringen kann, aber wenigstens respektiert er seine Männer.«
»Ibbak…«
»Der Hexergeist unterstützt mich. Ich werde in weniger als einem Monat zurück sein, wie er es wünscht. Ich war nie dein möglicher Ersatzmann, nur ein Trumpf, den du nie auszuspielen gewusst hast. Dein Pech! Du bist jetzt König, führe deinen Krieg, wie es dir richtig erscheint. Ich werde meinerseits dasselbe tun.«
Korta biss bei seinem Aufbruch die Zähne zusammen. Die Wunde, die auf seiner Wange aufgeplatzt
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