Die Rebellin von Leiland 3: Die Gefangene des Tyrannen (German Edition)
Pandema konnte Frederik gerade noch am Arm packen, aber ihr mittlerer Sohn war zu weit von ihr entfernt, als dass sie ihn hätte zurückhalten können. Philip sprang empört auf.
»Ihr zieht das Wort eines Prinzen in Zweifel! Noch nie hat eine Lüge den Mund meines Bruders auch nur gestreift! Ich bin bereit, eine derartige Beleidigung mit Blut abzuwaschen!«
Andin wollte Philip aufhalten und an seiner Stelle das Wort ergreifen, um den Geschichtenerzähler zu beruhigen, aber Nathal wurde trotz der Drohung von heftigem Gelächter geschüttelt.
»Ich wusste ja, dass die Akaler nicht das einzige empfindliche Volk sind!«, brachte er zur Erklärung zwischen zwei Glucksern hervor.
Diese zweifelhafte Nettigkeit brachte Philip zum Schweigen. Der König von Pandema dankte innerlich seiner Frau dafür, ihn zurückgehalten zu haben.
»Hoheit«, bemerkte Nathal an Prinz Philip gewandt, »ich kann nicht an den Worten Eures Bruders zweifeln, wenn ich die wunderbare Gottheit sehe, die sich ihm gegenüber so anhänglich zeigt. Aber gestattet mir, angesichts solch ungewohnt märchenhafter Wunder Verwirrung zu empfinden.«
Die Opaline schwirrte in ihren kleinen, warmen Wirbelwinden um Nathal herum. Sie landete auf dem Tisch vor Andin. Ohne, dass auch nur ein einziges Wort in seinem Kopf ertönt wäre, sah der junge Mann in die Lichtaugen, die auf ihn gerichtet waren. Er hatte den Eindruck, dass sie stolz auf ihn war– auf ihn, den einfachen Menschen!
Warum hältst du dich immer für unbedeutender, als du bist? Vergisst du, was die Leute über dein Herz sagen?, fragte sie ihn.
Sie flog bis auf seine Hand und schlang die Arme um seinen Finger, um den Kopf daraufzulehnen.
Du bist der Mensch, den ich am liebsten mag: Ich liebe dich so sehr, wie du mich verehrst.
Das waren ihre letzten Worte; ihr dritter Lebenskreis lief ab. Sie hatte aber doch eigentlich nicht so viel Energie verbraucht, dass sie so bald schon hätte sterben müssen! Schwankte ihre Lebenszeit je nachdem, welche Mission sie erfüllen wollte? Andin betrachtete den Tropfen aus Wasser und Bier, der vom Seidenfaden bis an sein Handgelenk rann. Er fühlte sich ganz seltsam. Die Liebeserklärung, die er erhalten hatte, kam von einer Gottheit: So klein sie auch war, Andin war verstört darüber. Er schloss die Hand um den Faden.
Nathal hockte sich neben ihm auf den Tisch.
»Ist sie tot?«, fragte er besorgt, als er die leicht geröteten Augen des jungen Prinzen sah.
»Nein«, antwortete Andin verlegen und befestigte den Faden an seinem Wams. »Aber ihr Verschwinden schmerzt mich jedes Mal.«
»Das glaube ich dir sofort.«
Ein Grübchen bildete sich in Andins Wange.
»Aber bei der Melice Orlane ist das schwieriger, nicht wahr?«
Nathal antwortete nicht. Ein Lächeln huschte über seine Lippen.
»Ich bin es nicht gewohnt, dass man mir glaubt, nur weil ich ein Prinz bin«, verkündete Andin. »Jahrelang bin ich herumgereist, ohne dass jemand um meinen Rang gewusst hätte. Das ist nebenbei einer der Gründe, der mich dazu getrieben hat, so zu handeln.«
Andin hoffte vergebens, seinen Vater hinten im Schankraum knurren zu hören. Nathal lächelte angesichts dieser Enthüllungen offen.
»Ich glaube zu wissen, dass dein Volk auf die Fähigkeit, Sackleier zu spielen, großen Wert legt«, fuhr Andin fort. »Würdest du meine Worte noch anzweifeln, wenn ich Sackleier spielen könnte?«
Ein Gewirr aus spöttischen Bemerkungen brandete in der Schenke auf, aber Nathal wusste nicht, ob er noch lachen sollte. Er setzte sich auf die Tischkante.
»Du gefällst mir, junger Prinz. Bei uns sagt man, dass nur ein Akaler oder ein Mensch reinen Herzens Sackleier spielen kann. Wenn es dir gelingt, zehn Töne am Stück zu spielen, dann werde ich nicht nur darauf verzichten, je wieder an deinen Worten zu zweifeln, sondern auch eine Geschichte über dich schreiben.«
»Mach dir nicht die Mühe«, erwiderte Andin lächelnd. »Beschränk dich einfach darauf, nie mehr zu sagen, dass die Melice Orlane goldene Augen hat.«
Einige Akaler hatten schon die Schränke durchwühlt und eine abgenutzte Sackleier daraus hervorgeholt. Aber Nathal hielt sie auf:
»Sein Versagen darf nicht auf die Güte des Instruments zurückgeführt werden. Clevina, hol mir meine Tasche.«
Die kleine Schankmagd, deren Wangen so rot wie ihre Zöpfe waren, reichte sie ihm mit einem angedeuteten Knicks. Nathal öffnete behutsam die Ledertasche. Mehrere Schichten Flanell schützen ein prächtiges Instrument. Sein
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