Die Rebellin von Leiland 3: Die Gefangene des Tyrannen (German Edition)
Holz war so poliert, das es wie Seide glänzte: Die Metallteile waren zierlich geschmiedet und hatten die Form aller nur erdenklichen anmutigen Geschöpfe; die Saiten funkelten in einem Licht, das aus anderen Welten zu stammen schien. Andin seufzte bewundernd.
»Es ist die schönste Sackleier, die es gibt, und heute auch eine der ältesten«, erklärte Nathal. »Man erzählt sich, dass die Saiten aus Fäden gewirkt sind, die von den Feen berührt wurden. Gelegentlich finde ich keine Worte, um ein heftiges Gefühl auszudrücken: Meiner Sackleier glückt es immer, und sie weiß das Herz des Fremden zu beurteilen, der sie spielt.«
Andin setzte sich neben Nathal auf den altersschwachen Eichentisch. Er nahm die Sackleier mit äußerster Behutsamkeit, um sie noch ein wenig zu bewundern. Die verschachtelte Anordnung der Saiten und Grifflöcher entsprach der seiner eigenen Sackleier. Der junge Mann lächelte dem Geschichtenerzähler leicht zu. Leise und sogar auf trügerisch gewagte Weise spielte er die zehn verlangten Töne. Und dann begann er unter dem fassungslosen Blick aller Akaler im Gasthaus mit außergewöhnlichem Geschick eine Melodie zu spielen.
Andin hatte zwar bewusst ein bestimmtes Stück ausgewählt, ließ sich aber wie jedes Mal von seiner Interpretation mitreißen. Er vergaß fast, dass er spielte, und konzentrierte sich unwillkürlich auf die Gefühle, die sein Herz durchströmten. Seine Finger liefen auf der Suche nach Eleas Haut über die Saiten, seine Lippen verloren sich in Erinnerungen an ihre Küsse und sein Atem in Seufzern der Einsamkeit. Das Lied aus den Dunklen Wäldern kehrte in seinem Spiel mehrfach wieder wie ein Refrain. Er war der Einzige, der sich die Stimme vorstellte, die ihn begleitete.
Philip war völlig verblüfft über diese Begabung seines Bruders, von der er bisher nichts geahnt hatte. Frederik von Pandema unterdrückte mehr schlecht als recht seine Bewunderung. Und seiner Königin fiel es schwer, die Tränen zurückzuhalten. Celiane erkannte in diesen Tönen die Empfindsamkeit wieder, über die Andin als Kind verfügt hatte und die sie hatte glauben lassen, er würde zu zerbrechlich sein, das Schicksal auf sich zu nehmen, das die Feen ihm bestimmt hatten. Sie hatte ihn damals überbehütet und war selbst zu zartfühlend, um sich das nicht einzugestehen.
Die Akaler ihrerseits ließen alle möglichen Reaktionen erkennen. Manche stießen bewundernde Rufe aus, andere liefen ins Freie, um die Neuigkeit herumzuerzählen, oder staunten wie Nathal stumm. Clevina und Armonia, die beiden Schankmägde, umschwärmten den Prinzen bald wie sehnsüchtige junge Mädchen. Sie lösten eine Bewegung in der Menschenmenge aus. Niemand unterbrach Andin, aber alle rückten an ihn heran, als sei die Musik von Nahem noch schöner.
Als Andin zu spielen aufhörte, wurden ihm Hochrufe zuteil. Jubel und Beifall waren so begeistert, dass sie kaum reiner Höflichkeit entspringen konnten. Andin hatte das Gefühl, ein Akaler unter den Seinen zu sein, noch inniger vergöttert als Nathal, dem er die Schau gestohlen hatte.
»Vater hat sich getäuscht«, verkündete Philip. »Du bist derjenige, der nach Akal hätte gehen sollen, um den König zu überzeugen, uns sein Gebiet durchqueren zu lassen. Du hattest binnen weniger Sekunden mehr Erfolg als ich in mehreren Wochen.«
»Dann hätte ich aber nichts von alledem erlebt, was in Leiland geschehen ist! Niemals!«, antwortete Andin glücklich. »Nun, Nathal, welche Augenfarbe hat die Melice Orlane?«, setzte er hinzu.
»Grau… Dunkelgrau außerhalb von Leiland und Blau…«
»Nachtblau«, präzisierte Andin.
»Nachtblau in ihrem Heimatland.«
»Danke.«
Andin reichte ihm seine wunderbare Sackleier zurück und wollte aufstehen, aber Nathal hielt ihn zurück.
»Warte. Wenn du nicht willst, dass ich eine Geschichte über dich schreibe, dann erzähl mir zumindest von ihr. Wer ist sie?«
Am Mundwinkel des jungen Mannes bildete sich ein Fältchen.
»Um die Wahrheit zu sagen, weiß ich das selbst nicht. Die Frage hat sie mir nie beantworten wollen.«
Nathal zog skeptisch eine Augenbraue hoch, ließ sie aber wieder sinken, als sein Blick auf die Sackleier fiel.
»Kennst du wenigstens ihren Namen?«
»Zufällig ja. Aber ich darf ihn dir nicht verraten: Sie hält ihn sogar vor ihren Freunden geheim.«
Nathal wirkte enttäuscht, beharrte aber nicht auf einer Antwort.
»Sie hat einen Beinamen, und ich glaube, dass er dir gefallen könnte«, tröstete Andin
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