Die Rebellin von Leiland 3: Die Gefangene des Tyrannen (German Edition)
ihn.
Die goldenen Augen des Geschichtenerzählers funkelten vor Neugier.
»Die Leiländer kennen sie unter dem Namen Victoria.«
Nathal lächelte; sein Geist flog schon den idealen Formulierungen entgegen. Er gab Andin sogar die Sackleier zurück, den Blick noch immer ins Leere gerichtet.
»Wenn du mir nichts von der Melice Orlane erzählen kannst, dann spiel. Ich konnte dir von unserem Sieg nicht erzählen, also sing mir von deiner Victoria, deiner Siegerin.«
Ein dritter Prinz
Nur Hufschläge und das Rumpeln der Wagenräder störten die Stille in der königlichen Kutsche. Alle Insassen hingen ihren Gedanken nach; niemand lächelte aufrichtig.
Frederik von Pandema war seit dem Aufbruch gereizt: Andin machte sich einen Spaß daraus, seiner Autorität zu trotzen, indem er die Krone nicht auf dem Kopf, sondern auf dem Knie trug. Was für ein törichter Junge! Frederiks Ansicht nach bewies Andin nicht mehr Verstand als ein Frischling. Und dennoch hatte sein jüngster Sohn ihn am Vorabend in Erstaunen versetzt. Der König war insgeheim sogar äußerst neugierig auf Elea, die Melice Orlane, Victoria oder wie auch immer man dieses so ungewöhnliche junge Mädchen noch nennen mochte. Schon als Kind hatte sie ihn in den Gänseländern beeindruckt.
Der König hätte sie sicher gern als Erwachsene wiedergesehen, wenn er nicht so zornig über ihren schlechten Einfluss auf Andin gewesen wäre. Der junge Prinz gab sich unbegründeten Trugvorstellungen hin, das wusste der Herrscher. Er hatte die durchscheinenden Feen des Lebens gesehen und ihre Erklärungen und Forderungen gehört. Andin hatte nur noch eine Zukunft: Er musste den Letzten Kampf gewinnen. Frederik glaubte nicht, dass Schmetterlinge im Bauch seinem Sohn dabei zum Sieg verhelfen würden.
Königin Celiane neben ihm stieß bei jedem Ruck und Rütteln der Kutsche einen kleinen Seufzer aus. Sie hätte dies alles gern schon hinter sich gehabt, wünschte sich, dass Philip mehr Vertrauen in die Wahl der Feen gesetzt hätte, und… Ach, sie log sich doch selbst etwas vor! In Wahrheit fürchtete sie sich. Sie war sogar völlig verängstigt, wenn sie an die gefahrvollen Schlachten dachte, die am Horizont dräuten. Der Krieg machte sie so nervös wie jede Frau, obwohl sie es sich nicht anmerken lassen wollte. Das Glück der Welt zu spüren, obwohl diese im Augenblick am Rande des Chaos stand, ließ ihr einen Schauer über den Rücken laufen. Warum hatte Frederik erst so spät aufbrechen wollen, obwohl sie unterwegs auf so viele Hindernisse treffen konnten? Warum hatte er Andin immer noch nichts gesagt?
Sie wollte dies alles gern hinter sich haben– aber wie würde das Ende aussehen, falls Andin versagte? Ihr Herz zog sich zusammen. Andin war ungestüm und zu verletzlich, das sah man ja schon daran, wie der Blick einer jungen Frau sein Blut in Wallung bringen konnte. Wie schwer es doch für sie war, Königin und Mutter zu sein!
Philip war noch mürrischer als alle anderen. Die Kämpfe beunruhigten ihn nicht. Die möglichen Schwierigkeiten hatten seinen Geist noch nicht einmal gestreift. Und das, was auf dem Spiel stand? Daran glaubte er noch nicht einmal. Er hatte Enkils Buch noch nie in der Hand gehalten. Er sorgte sich nur um seine Freiheit, die ihm mehr und mehr entglitt. Dass sein Schicksal von den Gottheiten bestimmt werden sollte, engte ihn bei jedem Schritt ein. Nur der Gehorsam, den er seinem Vater schuldete, und die Neugier, die in der Familie lag, hielten ihn davon ab, die Flucht zu ergreifen.
Was Andin betraf, hätten ihn zwar alle für glücklich halten können, doch erstaunlicherweise war er ganz im Gegenteil besorgt, wenn nicht gar verängstigt. Sein Herz befand sich in höchster Aufregung, weil der Zeitpunkt nahte, zu dem er Elea wiedersehen würde. Aber ohne zu verstehen, warum, fürchtete er, dass in letzter Minute etwas dazwischenkommen würde. Er umklammerte fest den Goldring, den er am Hals trug. Ohne Unterlass rutschte er auf dem Ledersitz hin und her. Verzweifelt versuchte er, seine Gedanken auf etwas anderes zu richten. Das Gespräch, das er am Morgen der Abreise mit Nathal geführt hatte, verhalf ihm zu ein wenig Ruhe.
Der Geschichtenerzähler hatte einen wahren Wasserfall von Fragen auf ihn losgelassen, und Andin war sich bewusst geworden, wie gründlich er selbst sein musste, wenn er eine Antwort wollte. Der Akaler hatte seine am Ende erhalten. Derjenige, der die Melice Orlane geschickt hatte, war kein anderer gewesen als…
»Erwan Al
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