Die Rebellin
Gerüchte, bei denen auch der böse Blick eine Rolle spielte. Die Nonne Pelagia, die gebeten wurde, ihre guten Beziehungen zur Mutter Gottes einzusetzen und diese um Aufklärung zu bitten, zog sich zu diesem Zwecke sogar zwei Wochen lang zum Gebet zurück. Als sie hinterher zu Pappas Mavros ging, flüsterte sie ihm zu, dass sie wohl schwerhörig werde. Die Panagia habe ihr mitgeteilt, dass diese Krankheit durch eine Mücke übertragen würde, aber das könne wohl kaum stimmen. Pappas Mavros hielt es auch für besser, der Öffentlichkeit diese Vision nicht zugänglich zu machen und verbrachte Tage damit, nach Ursachen zu suchen, die so ähnlich wie das Wort Mücke klangen.
Zakarati war mit nach Tinos gekommen und aus Respekt vor Irinis Zustand begruben Mutter und Tochter vorübergehend das Kriegsbeil. Dass zwischen Mutter und Schwester endlich Frieden eingekehrt zu sein schien, machte Irini das Sterben etwas leichter. Sie nahm Antonis das Versprechen ab, sich nicht um die offizielle Trauerzeit zu scheren und schnell eine Mutter für ihre Kinder zu finden. Das beeindruckte Mando, die Marcus am liebsten das Versprechen abgenommen hätte ihr auch nach ihrem Tod treu zu bleiben. Vor ihrem letzten Atemzug legte Irini noch die Hände von Mutter und Schwester ineinander und zum ersten Mal seit Jahren blickten sich die beiden Kontrahentinnen ohne Zorn, Argwohn oder Ablehnung in die Augen.
Pappas Mavros war sehr alt geworden, aber Mando entdeckte in seinen Augen ein Leuchten, das zuvor nicht dort gewesen war. Sein früher so strenger, harter Mund war weicher geworden und schien ständig mild zu lächeln.
Stolz zeigte er seiner einstigen Schülerin die eindrucksvolle Kirche Panagia Evangelistria, die er an der Fundstelle in Hafennähe hatte errichten lassen.
»Evstratis aus Smyrna hat sie innerhalb eines Jahres fertig gestellt«, berichtete er. »Fast jeder Bürger von Tinos und viele Flüchtlinge haben beim Bau selber Hand angelegt.« Er deutete auf einen Marmorquader. »Der stammt aus Delos.«
Mando war überrascht.
»Sie haben sich doch immer gegen die Plünderung der antiken Stätten gewehrt«, erinnerte sie sich. »Und für den Bau der eigenen Kirche haben Sie zugelassen, dass geräubert wurde?«
»Nicht geräubert«, sagte er mild, »nur den antiken Tempelstücken ein christliches Heim gegeben.«
Nein, das war ganz bestimmt nicht mehr der Pappas Mavros, den sie einmal gekannt hatte! Jetzt waren sie schon eine halbe Stunde zusammen und er hatte noch kein Wort über den Befreiungskampf verloren!
Inzwischen befanden sie sich im eigentlichen Kirchenraum, wo an prominenter Stelle die wundertätige Ikone angebracht worden war. Pappas Mavros trat auf die Menschen zu, die sich um das Bildnis geschart hatten, um es zu küssen, und bat sie einen Augenblick zur Seite zu treten. Respektvoll ließen sie den Priester und seine Begleiterin durch.
Nachdenklich betrachtete sich Mando das Bild, auf dem Maria Verkündigung dargestellt war.
»Wer ist das?«, fragte sie und deutete auf den Engel.
»Der Erzengel Gabriel«, informierte sie Pappas Mavros.
Um Mandos Mundwinkel zuckte es. »Ist das nicht der, den auch die Muslims so verehren? Von dem Mohammed seine Offenbarung empfing?«
»Warum fragst du mich, wenn du das so genau weißt?«, antwortete er mit scharfer Stimme, die ein klein wenig an den Popen von vor sechs Jahren erinnerte.
»Du hast wahrscheinlich keine Lust die Ikone zu küssen«, stellte er fest. Mando schüttelte den Kopf. Ihre Gläubigkeit hielt sich zwar in Grenzen, aber doch verspürte sie eine unerklärliche Angst sich mit ihrem unreinen Herzen einem für viele so heiligen Objekt zu nähern. Man konnte ja nicht wissen, es gab viel im Himmel und auf Erden … und weil ihr einfiel, dass Dimitri dies geäußert hatte, wollte sie ganz schnell den Kirchenraum verlassen.
»Mir sind hier zu viele Menschen«, sagte sie, »die stören mich bei der Andacht.«
Pappas Mavros lachte leise.
»Viele Menschen? Das ist noch gar nichts! Du solltest sehen, was hier am 15. August, dem Namenstag der Mutter Gottes, geschieht«, sagte er, als er mit Mando die breite Steintreppe hinunterschritt. »Von überall her kommen die Pilger, sie lassen sich nicht durch türkische Kriegsschiffe oder Piraten abschrecken und rutschen auf Knien diese Stufen hinauf, um die Panagia um Hilfe oder Heilung anzuflehen. Sogar Admiral Miaulis ist schon hier gewesen und hat die Ikone geküsst.«
»Wie viel Heilungen gibt es inzwischen?« Mando
Weitere Kostenlose Bücher