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Die Rebellin

Die Rebellin

Titel: Die Rebellin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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versuchte, nicht zynisch zu klingen.
    »Viele. Alle, die mir bekannt sind, habe ich in einem Buch notiert«, sagte er, »es besteht kein Zweifel daran, dass die Nonne Pelagia nach ihrem Tod heilig gesprochen werden wird.«
    Vor allem, wenn sie das nächste Mal besser zuhört, wenn ihr die Panagia die Ursache der Malaria erklärt, fügte er für sich selber hinzu.
    Er zeigte ihr dann noch den Unterbau des Gebäudes, die so genannte Kirche der Auffindung, eine bei den Ausgrabungsarbeiten entdeckte ältere Kirche. Mando besichtigte die Fundstelle, zwei Taufbecken, eine geweihte Quelle und war froh, als sie wieder ans Tageslicht kam. Dunkle Gemächer erinnerten sie immer wieder an Dimitris Haus in Nauplia. Und Pappas Mavros erinnerte sie überhaupt nicht mehr an den Mann, der ihr logisches Denken und politisches Bewusstsein beigebracht und in ihr die Fackel der Freiheit entzündet hatte. Der Onkel war ihr fremd geworden.
    Mando kannte genügend Legenden, in denen sich ein Saulus zum Paulus wandelte, in denen ein Schlüsselerlebnis einen Menschen von Grund auf veränderte oder jemandem eine plötzliche Erleuchtung zuteil wurde. Aber sie verstand nicht, wie sich ein Fels in der Brandung plötzlich auflösen konnte.
    »Pappas Mavros«, begann Mando, als sie später im Arbeitszimmer des Popen beim Tee saßen.
    »Nikolas«, unterbrach er. Mando sah ihn fragend an.
    »Pappas Nikolas. Ich möchte, dass du dich daran gewöhnst. Es ist nicht üblich, einen Popen bei seinem Nachnamen zu nennen.«
    »Früher hat Ihnen das nichts ausgemacht.«
    »Früher war ich ein anderer Mensch, Magdalini. Die Panagia hat mir den richtigen Weg gewiesen. Ich habe mich schwer versündigt, auch an dir.«
    Mando schwieg einen Moment. Dann erhob sie sich langsam und warf einen langen forschenden Blick auf den Mann in dem schwarzen Gewand. Ein sanfter alter Herr, dachte sie. Diese so genannte Erleuchtung hat sogar seinen Gesichtszügen die Schärfe genommen. Völlig ungeeignet als Modell für El Greco. Wo ist das Feuer geblieben, wo die Begeisterung?
    Ihre Betroffenheit wich der Wut. Vor ihr saß der Mensch, der sie in jungen Jahren geformt hatte. Er hatte ihr den Weg gezeigt, der sie in einem freien Griechenland zum Glück führen sollte. Er hatte ihr vorgegaukelt, dass sie es zu Macht und Ruhm bringen würde, und sie dazu gebracht, ihr ganzes Vermögen zu opfern. Er hatte sie in die Welt hinausgestoßen. Er war an allem schuld.
    Sie wandte sich zornig um, trat zum Fenster und riss es weit auf. »Pappas Mavros!«, rief sie hinaus. »Pappas Mavros, Sie sind ein Verräter!«
    Eine Frau blickte entsetzt zum Fenster hinauf und huschte dann eilig weiter die Gasse entlang.
    »Mein Vater hat mich Ihnen anvertraut«, fuhr Mando mit unvermindert lauter Stimme fort. »Wozu? Etwa, damit Sie mich zum Werkzeug Ihres Willens machen? Das ist Ihnen vorzüglich gelungen! Ich habe Ihnen vertraut, Sie bewundert und war doch nichts weiter als Ihre Marionette! Sie haben mich benutzt. Jetzt stehe ich vor dem Scherbenhaufen meines Lebens!«
    Sie redete sich immer mehr in Rage.
    »Verarmt bin ich, auf Almosen angewiesen. Und Sie, der an allem schuld ist, spielen hier auf Tinos den geläuterten heiligen Mann. Ich werde der Welt sagen, wer Sie sind: ein Feigling, der sich aus der Verantwortung gestohlen hat! Wollten Sie Griechenland wirklich jemals retten? Wo waren Sie denn, als ich auf dem Schlachtfeld für Griechenlands Freiheit gekämpft habe? Wo, als die Menschen auf den Straßen Nauplias verhungerten? Im sicheren Hafen von Tinos haben Sie Briefe geschrieben. Haben Sie auch nur ein einziges Mal für Griechenland Ihr eigenes Leben eingesetzt? Aber von mir haben Sie das erwartet – von mir und von all den anderen, die Sie in den Tod geschickt haben. Wie Schachfiguren haben Sie uns umhergeschoben! Jakinthos, Marcus und ich waren Ihre Bauern. Königin sollte ich werden? Sie wussten genau, dass der Bauer auf der letzten Reihe geopfert wird! Ja, Sie haben sich an mir versündigt. Sie haben mein Denken vergiftet und mir nichts als Worte gegeben. Worte! Immer wieder Worte. Haben Sie noch mehr davon?«
    Sie wandte sich um.
    Der Pope saß reglos auf seinem Stuhl. Der Mund war halb geöffnet, die Augen starrten Mando unverwandt an.
    »Pappas Mavros …« Sie trat auf ihn zu und fasste ihn am Arm. Er fiel zur Seite.
    »Pappas Mavros! Pappas Nikolas!«
    Er rührte sich nicht. Laut schrie Mando um Hilfe.
    Er lebte noch, aber Worte hatte er nicht mehr. Ein schwerer Schlaganfall,

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