Die Rebellin
ist mein Leben zu Ende«, heulte Mando, »es gibt nichts mehr, was mich hier hält! Warum kriege ich keine Malaria!«
Vassiliki klopfte ihr auf den dick gewordenen Bauch und sagte nur: »Darum.«
Sie bat Mando ihr zu erzählen, was für wichtige politische Nachrichten sie dazu gebracht hätten, seit Monaten wieder ins Bulletin zu schauen. War der Krieg jetzt wirklich zu Ende? War Griechenland endlich frei?
»Was interessiert mich das!«, heulte Mando.
Vassiliki drückte ihr das Bulletin in die Hand und sah sie erwartungsvoll an. Mando begann zu lesen, und so erfuhr Vassiliki, dass es zu einer Seeschlacht ungeheuren Ausmaßes gekommen sei. Die Flotte der drei Schutzmächte hatte den Hafen von Navarino angelaufen, wo das gesamte türkisch-ägyptisch-tunesische Expeditionsgeschwader vor Anker lag und riesige Mengen an Kriegsmaterial ablud. Dies wurde für die Eroberung von Hydra benötigt.
»Hydra!«, rief Vassiliki atemlos. »Das ist doch die Insel, auf die bisher noch kein Türke seinen Fuß gesetzt hat, die Insel mit den tapfersten Einwohnern Griechenlands … warum weinst du jetzt, mein Hühnchen?«
»Jakinthos kam von Hydra«, schluchzte Mando. »Ach, warum habe ich ihn nicht geheiratet!«
»Dann wärst du jetzt Witwe«, stellte Vassiliki fest. »Lies weiter!«
Ibrahim Pascha hatte endlich seine Meister gefunden. In nur wenigen Stunden hatte die alliierte Flotte die zahlenmäßig größere der Muslime vernichtet, von 89 Schiffen blieben dem ehrgeizigen Ägypter nur 29.
»Und wie haben die Ausländer das geschafft?«, fragte Vassiliki begierig.
»Siebenundzwanzig englische, französische und – schau an! – sogar russische Schiffe haben sich gewaltsam Eingang in den Golf von Navarino verschafft und mit 1.276 Kanonen das Feuer eröffnet«, las Mando vor. »Im Gewühl des Hafens behinderten sich die feindlichen Schiffe gegenseitig und viele sanken, ohne dass sie von einem Schuss getroffen wurden.«
Sie legte das Papier weg und nickte.
»Endlich, Vassiliki, endlich haben sich die Großmächte entschlossen unser Land der Türkei zu entreißen. Das ist eine wunderbare Nachricht.«
Vassiliki beobachte, wie sich Mandos eben noch entspanntes Gesicht wieder verkrampfte.
»Was ist los?«, fragte sie alarmiert.
»Chios«, sagte Mando, »Chios! Oh mein Gott, nicht schon wieder!«
»Aber Chios ist doch schon in türkischer Hand«, wunderte sich Vassiliki, »da war doch dieses fürchterliche Gemetzel, wo tausende …«
»Oberst Fabvier ist gerade mit 2.400 Leuten auf Chios gelandet«, sagte Mando, »und es sieht finster aus.«
»Warum denn? Ich dachte die Großmächte rennen alle Türken über den Haufen!«
»Fabvier handelt nicht im Auftrag der Großmächte, ganz im Gegenteil. Unsere Verbündeten sind nur an dem Teil Griechenlands interessiert, wo sich der Aufstand abgespielt hat. Die griechische Regierung, mein Freund Kapodistrias also, will aber auch Kreta und Chios einbeziehen. Erinnerst du dich noch an Admiral Miaulis, Vassiliki, der mir damals in Mykonos gratuliert hat und an dem Abend, als mein Haus ausbrannte und ausgeraubt wurde, unser Gast war?«
Vassiliki nickte.
»Ich erinnere mich noch, dass er dir den Vorschlag gemacht hat, zum Minister für Religion zu gehen und die Diebe exkommunizieren zu lassen. Hat nicht viel gebracht.«
»Es war den Versuch wert. Miaulis war bis jetzt auf Kreta und will jetzt Fabvier mit 2.000 Mann zu Hilfe kommen.« Sie schauderte.
»Ist dir kalt?« Vassiliki wollte sich erheben, aber Mando drückte sie wieder auf den Stuhl.
»Nein, ich dachte nur gerade daran, was der Sultan damals nach dem Massaker von Chios hatte verkünden lassen – Feuer, Stahl und Knechtschaft! – weißt du noch? Und jetzt schon wieder! Chios liegt direkt vor der türkischen Küste und ist die wirtschaftlich reizvollste Insel der Ägäis. Seine ganze Macht wird der Sultan auf Chios – und auf Kreta konzentrieren! Vassiliki, wir werden nicht mehr erleben, dass Chios zu Griechenland gehört.«
Damit sollte sie Recht behalten.
Ein heftiger Sturm tobte ums Haus, als im Oktober Mandos Tochter geboren wurde. Vassiliki hatte sich gut vorbereitet und alles lief ohne Komplikationen ab. Kurz vor der Entbindung hatte sie Mando noch einmal gefragt, ob sie denn nicht Frieden mit ihrer Mutter schließen und diese bei dem großen Ereignis dabeihaben wolle.
»Meine Mutter hat meine Diamanten gestohlen!«, rief Mando und weil sich ihr Püppchen so aufregte, ließ Vassiliki das Thema fallen.
Ohne
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