Die Rebellin
durfte, obwohl sie lange Zeit keine Miete bezahlen konnte und ihr alle anderen Türen verschlossen blieben.«
Mando hätte sich viele Gründe vorstellen können, weshalb Marmellakis sie ziehen ließ, aber auf diesen wäre sie nie gekommen. Marcus, dachte sie, aus Mitleid mit dem Mädchen hat er also die Miete bezahlt, wenn kein Lord oder Baron diese Kosten übernahm! Ganz kurz verfinsterte sich ihr Gesicht. Ob er dafür Gegenleistungen erhalten hatte?
»Und was wird jetzt?«, fragte sie.
»Ein Mast ist beschädigt«, brummte Marmellakis, »aber Sie sind ja in der Nähe von Mykonos. Das Schiff schafft es zurück zum Hafen.«
Mando hatte keine Lust mit einem Säugling auf dem Arm vor den neugierigen Blicken der Mykoniaten an Land zu gehen.
»Und wo fahren Sie hin?«, fragte sie.
»Nach Westen. Im Osten ist es zu unruhig. Vor allem um Chios. Ich weiß zwar, dass bei Seeschlachten eine Menge für unsereinen abfallen kann, aber ich bin nicht mehr der Jüngste …«
Einer seiner Leute steckte den Kopf durch die Luke und bat um Anweisungen.
»Nehmt den Gefangenen Uhren, Geld und Wertsachen ab und kehrt zurück aufs Schiff«, rief er nach oben. Entschuldigend wandte er sich an Mando.
»Meine Männer setzen ihr Leben aufs Spiel. Dafür müssen sie schon belohnt werden.« Mando, die froh war, dass ihre Mannschaft mit dem Leben davongekommen war, nickte verständnisvoll.
»Fahren Sie vielleicht bis nach Nauplia?«, fragte sie ruhig.
»Nein!«, schrie Vassiliki entsetzt.
»Meine Pläne haben sich geändert«, bemerkte Mando und lächelte Lena an, die sich an dem kleinen Mädchen nicht satt küssen konnte.
»Sie wollen nach Nauplia?«, fragte Marmellakis. »Was würden Sie mir für die Reise bezahlen?«
»Lena«, wandte sich Mando an die andere Frau, »Sie möchten gern ein Kind haben, nicht wahr?«
»Mein Leben würde ich dafür geben!«, rief sie.
»Das würde dem Kind wenig nützen«, lächelte Mando. »Dieses kleine Mädchen wollte ich zur Adoption nach Paros bringen. Möchten Sie das Kind haben?«
Vassiliki machte den Mund auf und klappte ihn wieder zu. Sie konnte keinen Ton herausbringen. Auch Lena war sprachlos.
»Allerdings gibt es eine Bedingung«, fuhr Mando fort.
»Welche?«, fragten Marmellakis und seine Frau gleichzeitig.
»Dass Sie Ihrem Mann nicht mehr bei seiner Arbeit helfen. Das Kind soll mit einer Mutter aufwachsen, die Zeit für es hat.«
Marmellakis, der sich aus Sorge um seine Frau nur noch mit kleineren Raubzügen abgegeben hatte, nickte hochzufrieden. Vielleicht würde er doch noch nach Chios fahren können. Seine drei Männer hatten schon gedroht sich anderweitig umzusehen. Vielleicht würde er sich wieder – so wie in alten Tagen – einer Piratenflotte anschließen. Das versprach mehr Beute und schließlich hatte er jetzt eine richtige Familie zu versorgen.
Mando nahm Marmellakis das Versprechen ab, dass es auf der Reise zu keinen beruflichen Zwischenfällen kommen würde – auch nicht auf der Rückreise, wie sie mit Blick auf ihre Tochter hinzusetzte. Nachdem die anderen mit Mandos Gepäck auf das Piratenboot geklettert waren, löste Mando die Fesseln von den Seeleuten der ›Elektra‹ und teilte dem Kapitän mit, dass er nach Mykonos zurückkehren könne. Sie habe leider nicht so viel Glück, da sich die Piraten ein hohes Lösegeld für ihre Freilassung versprachen. Das würde den Mykoniaten etwas zu denken geben, dachte sie befriedigt.
Für Mando wurde es eine vergnügliche Seereise. Sie kam aus dem Lachen nicht mehr heraus, wenn Lena offenherzig über ihre Vergangenheit sprach und ihr minutiös Geschichten aus dem Zusammenleben mit ihren adligen Europäern erzählte. Mando erinnerte sich an den englischen Lord mit der entsetzlichen Perücke und verriet Lena, dass er ihretwegen mitten im Krieg zurückgekommen sei.
»Also eigentlich hast du Mykonos gerettet«, sagte sie zu ihr. »Hätte dein Lord nicht so eine Sehnsucht nach dir gehabt, hätte die Türkenflotte nicht abgedreht, und es wäre zu einem entsetzlichen Blutvergießen gekommen. Du bist die wirkliche Heldin von Mykonos und daher vertraue ich dir meine Tochter an …«
Sie hatte sich verplappert. Lena starrte sie an. Erregt stand Mando auf, packte die Seeräuberfrau hart am Arm und drohte: »Wenn du ein Wort verrätst, verlierst du sie! Sie hat nämlich auch einen Vater!«
Eingeschüchtert schüttelte Lena den Kopf.
»Ich habe Ihnen gar nicht zugehört«, flüsterte sie.
Sie war erschüttert, als sie hörte,
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