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Die Rebellin

Die Rebellin

Titel: Die Rebellin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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verschoben werden müsste.
    »Wir können noch nicht weg«, meinte sie, »die Kleine ist auf deine Milch angewiesen.«
    »Marcus wird eine Amme finden«, unterbrach Mando und Vassiliki kniff die Lippen zusammen. Genau wie Zakarati, dachte sie, kriegt ihr Kind und gibt es weg. Die Frauen in dieser Familie sind herzlos. Wie hatte sie selber gelitten, als ihr Selim weggenommen worden war! Immer wieder war sie durch die Gänge von Ali Paschas Palast geschlichen, in der Hoffnung, dem kleinen Jungen zufällig zu begegnen. »Kouklaki – Püppchen«, hatte sie ihm zugeflüstert und ihm auf der ausgestreckten Hand eine Süßigkeit hingehalten. Aber von seinem sechsten Lebensjahr an ignorierte er die Frau, die seine Mutter war und spuckte auf die Süßigkeit.
    Zwei Tage später brachen sie im Morgengrauen auf. Dichter Nebel hing über dem spiegelglatten Meer, aber der Kapitän des kleinen Schiffes beruhigte die beiden Frauen, dass er seinen Weg auch ohne Sonne oder Sterne zu finden wisse. Die ›Elektra‹ war von fünf Franzosen gemietet worden, die sich für eine Woche auf der Ruineninsel Delos aufhielten, und der Kapitän war hocherfreut sich in der Zwischenzeit noch etwas dazuzuverdienen.
    Weniger erfreut war er, als nach etwa einer Seemeile aus dem Nichts plötzlich ein anderes kleines Schiff vor ihnen auftauchte.
    »Flagge zeigen!«, rief der Kapitän, aber seine Worte gingen in einem Schuss unter. Einer der Masten knickte ab. Erschrocken blickten Mando und Vassiliki, die im Innern des Boots saßen, nach oben.
    »Korsaren«, flüsterte die kreidebleiche Vassiliki. Mando drückte ihr Kind an die Brust und strengte die Ohren an. Noch ein paar Schüsse, Schreie, Klirren von Enterhaken und Schwertern, das dumpfe Geräusch fallender Körper und dann kam eine gespenstische Stille. Die Eingangsluke verdunkelte sich.
    »Hier sind die Passagiere!«, hörte Mando eine weibliche Stimme und dann donnerte ein Mann die Holzstiege hinunter.
    Mando erkannte ihn sofort. »Marmellakis!«, rief sie.
    Überrascht blieb er stehen.
    »Geh schon weiter!«, forderte ihn die weibliche Stimme auf. »Hat es sich gelohnt?«
    Er trat zur Seite und eine zierliche Gestalt in Männerkleidern pflanzte sich vor den beiden Frauen auf.
    »Nur zwei Frauen und ein Kind! Eine alte Frau. Und kaum Gepäck!« Die etwas piepsige Mädchenstimme klang enttäuscht. Marmellakis' Augen hatten sich inzwischen an das Halbdunkel gewöhnt und Mando erkannt.
    »Hände weg, Lena!«, fuhr er seine Frau an, die bereits versuchte das Schloss des grünen Kastens zu öffnen. Lena gehorchte und richtete ihren Blick voller Verzücken auf Mandos Tochter.
    Marmellakis verbeugte sich.
    »Hätte ich gewusst, dass Sie sich auf diesem Schiff befinden, hätte ich es in Ruhe gelassen«, sagte er leise.
    »Was ist mit der Besatzung?«
    »Zwei im Wasser, der Rest gefesselt.«
    »Keiner tot?«
    »Vielleicht die im Wasser.«
    »Holen Sie sie raus!«, befahl Mando.
    Er sprang nach oben, gab seinen Leuten Anweisungen und konnte Mando wenig später mitteilen, dass beide Seeleute gerade noch vor dem Ertrinken gerettet worden wären. Liebevoll streichelte er seiner Frau über den Kopf, die inzwischen den Säugling auf den Knien hielt und mit seinen Fingern spielte.
    »Lena kann keine Kinder haben«, erklärte er.
    »Darum arbeite ich mit meinem Mann!«, sagte seine Frau. Marmellakis brummte, aber seine Stimme klang freundlich:
    »Das ist Ihre Schuld, Fräulein Mando.«
    »Meine?«
    Erst langsam drang das Absurde der Situation in Mandos Bewusstsein. Vor wenigen Minuten hatte sie noch fest damit gerechnet, zusammen mit Vassiliki und ihrer Tochter in die Sklaverei verkauft zu werden, und jetzt unterhielt sie sich mit dem Seeräuber und gab ihm Anordnungen.
    »Sie sind doch auch eine Frau!«, meldete sich Lena. »Und Sie haben Männerarbeit getan! Wenn Mando Mavrojenous am Strand Türken abschlachtet, dann kann Lena Marmellakis ihrem Mann auch bei seiner gefährlichen Arbeit helfen, habe ich mir gesagt. Und seitdem fahre ich mit!« Sie drückte einen Kuss auf die winzige Hand des Säuglings.
    »Fräulein Mando«, meldete sich jetzt wieder Marmellakis. »Ich lasse Sie nicht deshalb gehen, weil Sie Mykoniatin sind …«
    »Weil sie Mykonos gerettet hat?«, schlug Vassiliki vor.
    »Nein. Mir ist egal, wer Mykonos beherrscht, und mit den Türken lassen sich gute Geschäfte machen.«
    »Warum dann?«, fragte Mando neugierig.
    Er verbeugte sich vor ihr.
    »Weil meine Frau in Ihrem Haus wohnen bleiben

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