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Die Rebellin

Die Rebellin

Titel: Die Rebellin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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und schloss sich Jannis Kolettis an, von dessen Politik er sich mehr versprach. Nur die Anwesenheit von französischen Streitkräften sorgten dafür, dass der Archipel nicht gänzlich verbrannte. Die Schutzmächte steckten die Köpfe zusammen, um das Land, das sie hatten befreien helfen, vor sich selber zu schützen. Wieder wurde der Ruf nach einem starken Monarchen laut.
    »Hör dir das mal an, Vassiliki: Einen Sechzehnjährigen haben sie gefunden!«
    »Einen Sechzehnjährigen was?«, fragte Vassiliki.
    »König. Otto heißt er und ist der Sohn des bayrischen Königs, ein Wittelsbacher Prinz. Das hat der Londoner Kongress beschlossen. Alle wichtigen griechischen Angelegenheiten werden offenbar im Ausland beschlossen. Ach, Vassiliki, was gäbe ich darum, nach Paris fahren zu können!«
    »Aber du hast doch gerade London gesagt.«
    Mando ließ das Bulletin sinken. Sie hatte früher schon einmal London gesagt. Vor der fürchterlichen Auseinandersetzung mit Ypsilanti, als sie darauf gedrängt hatte, nach London geschickt zu werden, um für die Sache Griechenlands zu werben. Dimitri hatte sie ausgelacht.
    Wie sie diesen Mann hasste! Nicht nur diesen, dachte sie, alle Männer und vor allem Marcus. Eine dicke Träne tropfte auf das Bulletin. Sie wischte sich rasch die Augen, als es heftig an der Tür klopfte.
    Vassiliki öffnete und Mando hörte aufgeregtes Murmeln im Flur.
    Wenig später kam Vassiliki wieder ins Zimmer. Sie war bleich und mühte sich die richtigen Worte zu finden. »Ich habe eine furchtbare Nachricht«, begann sie.
    »Wer ist tot?«
    »Prinz Ypsilanti. Er hat furchtbar gelitten und muss ausgesehen haben wie ein Hundertjähriger. Malaria.«
    Mando wischte die Träne von ihrem Bulletin und hielt es sich wieder vors Gesicht.
    »Ich hoffe, dass er an seinem eigenen Speichel erstickt ist«, sagte sie gleichgültig.
    Seit ihrer Rückkehr war Mando nicht mehr in Kalo Livadi gewesen. Sie hatte sich geschworen das Tal nie wieder aufzusuchen. Aber jetzt würde sie dort hinreiten. Nicht, um an schöne Zeiten zurückzudenken oder zu hoffen, dass Marcus dort sein Boot auf den Strand zog. Nein, sie wollte Philemon und Baucis vernichten, mit sämtlichem Wurzelwerk. Für sich selber – und auch für Marcus – musste sie ein Zeichen setzen.
    Es war endgültig vorbei. Sie war erwachsen geworden, ernüchtert und keine hoffnungslose Romantikerin mehr! Philemon und Baucis würden einst er und Anna sein. Sie würden unter Olivenbäumen in Paros sitzen und zusehen, wie die Enkelkinder zu ihren Füßen spielten. Gelegentlich würde Marcus an seine Cousine denken und froh sein, dass er dieser kapriziösen und komplizierten Frau entkommen war.
    Sie war erschüttert, als sie an der Hütte ankam. Nichts hatte sie auf diesen Anblick vorbereitet. Die Winterstürme hatten die weiße Farbe weggefegt und der rote Wüstensand, den der Südwind aus fernen Landen mit sich führte, das Blau der Fensterläden abgeschmirgelt. Nicht einmal einem geübten Auge wäre aufgefallen, dass es hier jemals ein Gärtchen gegeben hatte. Mando holte tief Luft und versuchte die Tür zu öffnen. Diese klemmte, gab erst nach gehörigem Zerren nach, fiel dann aus den Angeln und polterte auf die winzige Steinterrasse, die Marcus einst angelegt hatte und deren unregelmäßige Fliesen jetzt von ausgetrocknetem Unkraut überwuchert waren. Im Innern der Hütte herrschte ein größeres Chaos als in Griechenland.
    Die einstmals bunte Decke auf dem Bett zerfiel, als Mando sie mit spitzen Fingern anfasste. Offensichtlich hatten sich dort Mäuse häuslich niedergelassen. Aus der verschimmelten Matratze kroch eine Armee aufgescheuchter schwarzer Käfer. Durch einen Vorhang von Spinnweben war zu erkennen, dass die Reste von Byrons halb aufgefressenem Buch in der Wandnische zu Wellen erstarrt waren. Mando schrak zusammen, als unter ihren Füßen Glasscherben knirschten, die von der umgefallenen Öllampe stammten. Die Fledermäuse im Schornstein schliefen und im Kamin unter ihnen befand sich ein riesiges ausgetrocknetes Vogelnest. Die ganze Hütte war mit schwarzweißen Tupfern bekleckert und Verwesungsgestank verdrängte die Moderluft.
    Mando würgte und stürzte wieder ins Freie. Da auch die Haare des Besens aufgefressen und die Putzlappen verschimmelt waren, hätte sie selbst dann nicht Ordnung schaffen können, wenn sie gewollt hätte. Aber sie wollte nicht, denn sie wusste überhaupt nicht, wo sie hätte anfangen sollen. Zum Aufräumen hatte sie Vassiliki. Die

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