Die Rebellin
sah sie Marcus an, schüttelte dann den Kopf und murmelte: »Wie so vieles, das eigentlich nach Griechenland gehört.«
»In der Tat«, stimmte ihr Marcus zu und dachte dabei an die Aphrodite von Milos.
»Ich hätte es sowieso nicht verkauft. Marcus, bitte verlass mich nicht.«
Aber ihm blieb keine Wahl. Am Mittag hatte ihn die Nachricht von der Fehlgeburt seiner Frau erreicht.
»Mando«, flüsterte er und küsste ihre Augenlider, »ich muss sofort nach Paros zurück.«
»Ist es deiner Frau zu einsam ohne dich?«
Es war das erste Mal, dass sie auf seine Ehe anspielte.
»Sie hatte eine Fehlgeburt.«
»Eine Fehlgeburt!«
Mando setzte sich auf und funkelte ihn an. »Eine Fehlgeburt!«, wiederholte sie und wurde bleich. »Das bedeutet ja …«
»… dass mein Kind tot ist«, sagte er tonlos.
»Dein Kind …«, dein Kind lebt, hätte sie beinahe gesagt, stattdessen hob sie die Arme, als wollte sie ihm das Gesicht zerkratzen und fuhr ihn an: »Geh! Und werde glücklich! Komm mir nie wieder vor die Augen! Philemon und Baucis! Dass ich nicht lache! Deine Mätresse bin ich, weiter nichts! Und du machst einer anderen Frau ein Kind!«
Er öffnete die Tür.
»Ich bin verheiratet, Mando«, sagte er traurig, »was hast du denn erwartet?«
Wieder verschwand er aus ihrem Leben.
»Er hat uns Geld dagelassen«, meldete Vassiliki später und warf Mando einen prall gefüllten Beutel aufs Bett.
»Ich will sein Geld nicht.«
»Das kann schon sein, aber du brauchst es«, meinte die Dienerin. »Glaubst du, dass du es einige Tage ohne mich aushalten kannst?«
»Nein!«, rief Mando. »Du wirst mich doch nicht auch verlassen!«
»Nie, mein Täubchen, das weißt du doch. Aber es gibt da eine Familienangelegenheit.«
Mando sprang aus dem Bett und packte die Dienerin bei den mageren Schultern.
»Oh nein, Vassiliki, nicht schon wieder! Familienangelegenheit! Das letzte Mal warst du deswegen mehr als ein halbes Jahr weg …«
»Das war etwas anderes. Hör auf mich zu schütteln, das ertragen meine alten Knochen nicht. Ich verspreche dir, dass ich höchstens eine Woche weg bin.«
»Eine Woche ohne dich! Das halte ich nicht aus!«
»Poppy wird sich um dich kümmern.«
»Poppy! Was weiß die schon!«
»Zu deinem Glück nicht so viel wie ich.«
Vassiliki war nicht nur keine Sklavin, sondern – mild ausgedrückt – auch eine ausgesprochen unterbezahlte Dienerin. Wenn sie sich in den Kopf gesetzt hatte, für einige Tage Urlaub zu machen, konnte Mando sie daran nicht hindern.
Aber Vassiliki musste keinen Urlaub antreten, denn ihr Problem löste sich wenige Stunden später in Nauplia.
Mando lag auf ihrem Bett und zerfloss in Selbstmitleid. Wieder einmal hatte sie alles und jeden verloren, war mitschuldig an der Ermordung des griechischen Ministerpräsidenten, hatte sich aus Geldgier eine glänzende Zukunft mit Ypsilanti verbaut und ihre Tochter weggeben müssen. All dies wäre nicht passiert, wenn ihr Marcus nie über den Weg gelaufen wäre. Ihre Liebe hatte sich als höchst zerstörerisch erwiesen. Ihr Leben war eine Katastrophe.
Sie ignorierte die lauten Männerstimmen, die durch das offene Fenster bis in ihre Dachstube drangen.
Ein Schuss peitschte durchs Haus. Mando sprang aus dem Bett, rannte auf den Flur, sah fünf wild aussehende Männer die Treppe hinaufstürmen und Poppy schreiend durch die offene Tür wegrennen. Da Jorgo und Vlachos ins Kafenion gegangen waren, gab es niemanden im Haus, der die Männerbande aufhalten konnte.
Aus dem Salon trat Vassiliki der Gruppe in den Weg.
»Was wollt ihr?«, fragte sie so ruhig, als ob es sich bei dem rüden Haufen um unerwartete Gäste handelte. Der erste der Männer schob Vassiliki mit einer Handbewegung in den Salon zurück. Dann fiel sein Blick auf Mando und er entblößte ein paar gelbe Zähne.
»Das ist sie!«, rief er, übersprang zwei Treppenstufen auf einmal und zerrte Mando die Treppe hinunter. Sie konnte nur daran denken, dass es die gleichen Männer sein mussten, die sie damals aus Ypsilantis Haus entführt hatten.
Vassiliki wusste es besser. Obwohl er griechische Tracht trug, hatte sie Selim sofort erkannt. Nicht erst jetzt im Haus, sondern am frühen Morgen beim Hafen. Da sie sich nicht vorstellen konnte, dass ihr Sohn in die griechische Hauptstadt gekommen war, um mit der Regierung zu verhandeln, musste er irgendetwas im Schilde führen. Deshalb hatte sie um Urlaub nachgefragt. Wenn sie üble Machenschaften ihres Sohnes verhindern könnte, würde sie
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