Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rebellin

Die Rebellin

Titel: Die Rebellin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
Vom Netzwerk:
sagte sie und verließ das Haus.
    »Der Räuberhauptmann war Ali Paschas Sohn!«, fuhr sie Vassiliki an. »Was hattest du mit dem Löwen von Jannina zu schaffen?!«
    »Was wohl!«, gab Vassiliki zurück.
    »Ich kann es nicht glauben!« Mando warf die Hände in die Luft. »Eine Griechin!«
    »Eine Dienerin«, erwiderte Vassiliki.
    »Du hast meinem Vater den grünen Kasten gegeben!«
    Nie hätte Mando geglaubt, dass harte, schwarze Vogelaugen so flehentlich blicken konnten.
    »Mein Täubchen«, flüsterte Vassiliki, »du weißt genug. Lass es sein. Er ist tot. Ich habe meinen Sohn getötet.«
    »Und wen sonst noch?«, fragte Mando eisig.
    »Deinen Vater«, antwortete Vassiliki.
    Es war heraus.
    Weil Vassiliki schon geahnt hatte, dass Stefano seine Schwester auf die Spur bringen würde, hatte sie den Kräutertrunk gebraut, als Mando bei ihrer Mutter war. Es gab für sie jetzt keinen Grund zum Leben mehr. Mando war stark, sie würde ihren eigenen Weg finden. Und wenn nicht, würde es ihr eben auch nicht anders ergehen als den meisten Menschen. Vassiliki war müde, sie wollte kein Püppchen mehr haben, sie wollte nur noch schlafen und nie wieder aufwachen.
    »Er war mein Sohn«, hatte sie in Nauplia gesagt, und damals schon gewusst, dass sie damit ihr Todesurteil unterzeichnete. Sie würde ihre eigene Henkerin sein. Der Tee mit dem gleichen Gift, das Mandos Vater getötet hatte, stand neben ihr auf dem Kaminsims. Aber sie schuldete Mando eine Erklärung.
    Mandos »Warum!« hallte noch durch den Raum, als sie den ersten Schluck des todbringenden Getränks zu sich nahm. Es befand sich eine viel stärkere Dosis darin als in der Tasse, die sie Nikolaos Mavrojenous einst gereicht hatte. Er hätte nicht im eigenen Haus, sondern in dem seines Gastgebers sterben sollen.
    In stockenden Worten erzählte Vassiliki ihre Geschichte. Sie ließ nichts aus. Schon früh war sie dahinter gekommen, dass Nikolaos Mavrojenous einer der führenden Köpfe der Hetärie der Freunde war. Jannis Kolettis, damals Leibarzt am Hofe Ali Paschas, hatte Mavrojenous auf Paros aufgesucht und gefragt, ob er bereit wäre den Albaner gegen den Sultan zu unterstützen. Mavrojenous forderte als Gegenleistung Hilfe bei der Verteidigung der Kykladen. Kolettis hatte erwidert, dass sich Ali Paschas Interesse an den Inseln in Grenzen hielte. Darauf hatte Mandos Vater erwidert, dass er einen besonderen Trumpf habe, den er Jannis Kolettis nicht verraten würde. Aber im kommenden Monat würde er persönlich nach Jannina reisen und Ali Pascha ein Angebot machen, das er nicht ausschlagen könne.
    »Ich wusste, dass er ihm den grünen Kasten zurückgeben wollte«, sagte Vassiliki, deren Stimme immer schwächer wurde. »Dann teilte er mir mit, dass ich ihn in der kommenden Woche auf eine Reise begleiten sollte. Ich wusste, dass ich von dieser Reise nicht zurückkehren würde. Damit hatte dein Vater unseren Vertrag gebrochen. Ich wäre meinem Sohn ausgeliefert gewesen – und hätte dich verloren, mein Täub …«
    Sie fiel um.
    Mando schrie nicht. Sie blieb ganz still sitzen, versuchte zu verstehen, was sie gehört hatte, was mit Vassiliki geschehen war und konnte alles nicht glauben. Sie sah den Becher Tee, den die Dienerin wieder ordentlich auf den Kaminsims abgestellt hatte, und sie begriff.
    Jetzt war sie wirklich allein.
    Ihre Mutter sah sie das nächste Mal vor Gericht.
    Mando verlor den Prozess um die Diamanten, da nicht nachzuweisen war, dass ihr Zakarati das Geld nicht ausgehändigt hatte. Im Zweifel für den Angeklagten. Mando schwor sich, nie mehr in ihrem Leben Gerichte zu bemühen. Sie erinnerte sich einmal gehört zu haben, dass das Recht mit den Schwachen sei. Demnach müsste sie über Bärenkräfte verfügen.
    Sie hatte keine Hilfe im Haus mehr und würde in Kürze überhaupt kein Haus mehr haben. Es war das Einzige, was sie noch besaß. Von dem Erlös seines Verkaufs würde sie eine Wohnung mieten müssen und sich wenige Jahre lang von dem Rest des Geldes ernähren können. Sie hatte die Hoffnung längst aufgegeben, dass der griechische Staat ihr irgendetwas zurückzahlen würde. König Otto hatte andere Sorgen.
    Mando auch. In ihrer frühen Jugend hatte sie zwar einmal gelernt, komplizierte Muster in feine Tüchlein zu sticken, aber sie hatte keine Ahnung, wie sie Risse in ihren Kleidern reparieren konnte. Sie verstand nichts vom Kochen, wusste nicht, wie sie ihr Haus sauber halten und bei wem sie was einkaufen konnte. Einmal erstand sie am Hafen einen

Weitere Kostenlose Bücher