Die Rebellin
verpfänden«, sagte Vassiliki am Abend, als sie Mando das heiße Waschwasser aufs Zimmer brachte.
Mando sah sie vorwurfsvoll an, aber die Dienerin zuckte nur mit den Achseln.
»Warum musstet ihr auch so laut reden!«, meinte Vassiliki, »aber sei froh, dass ich euch gehört habe, denn ich weiß, woher du sehr viel mehr Geld nehmen kannst.«
Fragend sah Mando sie an.
»Erinnerst du dich an den grünen Kasten?«, fragte Vassiliki flüsternd, obwohl niemand im Zimmer war.
»Der ist bei Pappas Mavros.«
»Aber ihm gehört er nicht. Der Inhalt ist sehr wertvoll – zufällig weiß ich das – und wenn du ihn verkaufst …«
»Uns gehört der Kasten auch nicht«, unterbrach Mando. »Pappas Mavros hat mir einmal erzählt, dass mein Vater ihn gewissermaßen in Verwahrung genommen hat, für jemanden, der im Gefängnis sitzt.«
Wenn sie den Popen das nächste Mal sah, würde sie ihn abermals nach dem Eigentümer befragen und sich nicht mit einem Rätsel abspeisen lassen, nahm sie sich vor. Vassiliki mochte Recht haben, Gold, Elfenbein und Edelsteine waren echt, und wenn das Kunstwerk als Ganzes nicht viel wert sein sollte, konnte man die Einzelteile sicherlich erfolgreich verkaufen.
»Hat er dir das erzählt?«, kicherte Vassiliki und ihre harten Vogelaugen leuchteten. »Und wer sollte das sein?«
»Das sage ich dir nur, wenn du mir erzählst, wie du aus dem Harem geflüchtet bist.«
»Mit dem grünen Kasten unter dem Arm«, erwiderte Vassiliki.
»Ja, ja, mach dich nur über mich lustig«, erwiderte Mando ärgerlich, als es an der Tür klopfte. »Das wird Mutter sein. Mach auf!«
Mando war froh, als sich Zakarati nicht nach ihrem Gespräch mit den beiden Männern erkundigte. Ihre Mutter fand es viel spannender, was mit der Zofe Sophia geschehen war.
»Sie war wirklich vom Teufel besessen!«, erklärte sie aufgeregt. »Und weißt du, was sie gerettet hat?« Sie sprach weiter, ohne auf eine Antwort zu warten: »Ihre Sandalen! Weil die Riemen über dem Fuß ein Kreuz formten, hatte der Satan nur beschränkte Macht über sie.«
»Aber genug, um es zu einer sehr interessanten Szene kommen zu lassen«, meinte Mando, die sich immer noch über die entsetzten Gesichter der beiden Männer amüsierte, als die Zofe nackt ins Zimmer gestürzt war.
»Aber wegen der Sandalen ist sie der Aufforderung des Teufels nicht gefolgt sich ins Meer zu stürzen!«, fuhr Zakarati fort. »Sie hat geschrien und getobt, als der Pappas sie in die Kirche zog. Dort musste sie die Sandalen ausziehen und ablecken, es wurde viel gesungen, gebetet und Weihrauch verbrannt und nach einer Stunde war der Teufel ausgetrieben!«
Auf Mykonos fühlte sich Mando erheblich wohler als auf Tinos, wo sie auch noch Rücksicht auf den Ruf von Irinis Familie hatte nehmen müssen. Jetzt, wo sie wusste, dass ihr eine ganz bestimmte und für eine Frau ungewöhnliche Aufgabe zugedacht war, fühlte sie sich auch von anderen Konventionen befreit. Zum Entsetzen ihrer Mutter hatte sie ihre europäische Kleidung gegen die Inseltracht ausgetauscht. Außerdem gewöhnte sie sich nicht nur daran, allein durch das Gassen-Labyrinth von Mykonos-Stadt zu gehen und mit Männern zu reden, sondern unternahm auch allein weite Ausritte ins Hinterland. Manchmal ritt sie zu den vereinsamten Stränden an der Südküste, zog Schuhe und Rock aus und rannte in Hosen über den Sand, bis sie außer Atem war. Pappas Mavros hatte ihr immer eingeschärft, dass ein gesunder Geist in einem gesunden und möglichst auch gestählten Körper wohnen sollte. Ihr Fechtlehrer Monsieur Ali war nach Paros zurückgeschickt worden und sie vermisste die regelmäßige körperliche Ertüchtigung.
Diesmal war es Ende März für die Jahreszeit ungewöhnlich warm und Mando, die gerade zweimal über den Strand von Kalo Livadi gerannt war, setzte sich auf einen großen flachen Stein und ließ den Blick übers Wasser schweifen. Die Berge und Schluchten von Naxos waren deutlich zu erkennen, irgendwo rechts davon befand sich Paros, wo die Gebeine ihres Vaters inzwischen in der Nikolaos-Kapelle der Katapolianikirche ruhten.
Sie war froh, dass sie der makabren Ausgrabung nicht beigewohnt hatte, bei der sogar Vassiliki aus dem Schädel getrunken hatte, wie sie von ihrer Mutter erfahren hatte. Mando schüttelte sich bei dem Gedanken, musste aber auch ein wenig lächeln. Ihr Vater hatte die Dienerin wahrscheinlich oft verflucht, wenn er sie lauschend an den Türen erwischt hatte! Aber glücklicherweise waren die
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