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Die Rebellin

Die Rebellin

Titel: Die Rebellin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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empfing. Dieser schien die fadenscheinigen Teppiche, die mit Stockflecken übersäten Wände, die wurmstichigen Möbel und das grobe Porzellan nicht zur Kenntnis zu nehmen, als er sich auf ein zerschlissenes Sofa setzte, nachdem er Mando ein großes Paket überreicht hatte.
    Neugierig wickelte sie es aus und zog einen Brustpanzer sowie ein Schild mit aufgemaltem Gorgonenhaupt hervor.
    »Den Brustpanzer habe ich für Sie anfertigen lassen, meine Pallas Athene«, lächelte Ypsilanti. »Es ist ein echter Aigis, aus Ziegenfell gemacht und mit den richtigen Quasten versehen.«
    Er ließ natürlich unerwähnt, dass er den Hersteller angewiesen hatte, den Panzer so zu gestalten, dass ein besonders großer und wohlgebauter Busen geschützt werden konnte. Mando, die bei Ypsilantis Besuch das einzige europäische Kleid trug, das sie auf den Feldzug mitgenommen hatte, hielt sich den Panzer so vor, dass die Brüste leicht angehoben wurden, und ihr Ausschnitt etwas mehr als nur den Ansatz preisgab. Ypsilanti schluckte. Es war lange her, dass er artige Konversation mit einer schönen Frau gemacht hatte.
    Trotz der ärmlichen Umgebung fühlte er sich wieder in die Pariser Salons versetzt, die er während seiner Zeit auf der Militärakademie so oft aufgesucht hatte. Danach hatte ihn sein Bruder Alexander, der übrigens immer noch in einem österreichischen Gefängnis schmorte, nach Russland gerufen. Aber seinen Militärdienst hatte Dimitri Ypsilanti nach der Erhebung im Jahr 1821 quittiert. Als Bettler verkleidet hatte er die russische Grenze überschritten, Österreich zu Fuß durchquert und war schließlich in Griechenland eingetroffen, um sich der Freiheitsbewegung anzuschließen.
    Er stand auf.
    »Ich glaube, er muss höher sitzen. Sie erlauben?«, fragte er und versuchte, die zarte Haut nicht zu berühren, als er den Panzer in die richtige Position rückte. Mando entging nicht der unruhige Blick seiner hervorstehenden Augen, sein Bemühen das Verlangen in ihnen zu verbergen und das Heben und Senken ihrer Brust zu übersehen, als er dicht vor ihr stand.
    Spielerisch hob Mando den Schild und hielt ihn sich vor die Brust.
    »Wenn ich Athene bin«, fragte sie mit samtener Stimme, »sind Sie dann etwa Ares?«
    »Ich hoffe nicht«, erwiderte er fröhlich, »auch wenn das Kriegshandwerk mein Beruf ist! Wenn ich mich recht erinnere, sorgt Athene einmal dafür, dass Ares von einem Speer getroffen wird!«
    »Athene ist schlauer als Ares«, fügte Mando hinzu, »immer wieder gelingt es ihr, den dummen Krieger zu überlisten.«
    »Beleidigen Sie mich nicht«, sagte er mit leiser Schärfe und dann entfuhr ihm etwas, was er eigentlich nicht hatte sagen wollen: »Wäre ich Ares, wären Sie Aphrodite.«
    Mando zuckte zusammen. Aphrodite wollte sie nur für Marcus sein. Aber sie begriff, worauf der Prinz anspielte. Aphrodite war die große Liebe des Kriegsgottes gewesen, die Göttin, die ihm die Zwillinge Phobos und Deimos, Furcht und Schrecken, geboren hatte. Mit Ares hatte sie ihren Göttergatten, Hephaistos, betrogen und plötzlich fiel Mando ein, dass Marcus einmal bemerkt hatte, Dimitri Ypsilanti ähnele Hephaistos.
    Ein Gedanke keimte in ihr auf. Sie sah sich in ihrem schäbigen Salon um, die Stimme des Beamten immer noch im Ohr: »Heiraten!«
    Die Rollen waren verteilt. Sie musste nur dafür sorgen, dass Ypsilanti nie dahinter kam, dass sie in Wahrheit Aphrodite war und er Hephaistos.
    Sie ließ sich wieder auf den Sessel fallen, zeigte eine schmale Fessel, beugte sich leicht vor und bot Ypsilanti von den Süßigkeiten an, die sie für diesen Besuch ins Haus hatte bringen lassen.
    »Haben Sie Nachricht von der Nationalversammlung in Astra?«, fragte sie mit honigsüßer Stimme.
    Wer ist diese Frau, fragte sich Ypsilanti beunruhigt und gleichzeitig fest entschlossen dieses entzückende, verführerische Wesen näher kennen zu lernen.
    »Die Politiker haben über die Militärs gesiegt«, erwiderte er automatisch. »Der Konflikt zwischen den unterschiedlichen griechischen Strömungen ist offen ausgebrochen. Kolokotronis hat wie ein Löwe gekämpft, aber er ist überstimmt worden. Ich fürchte, Prinz Mavrokordatos wird ihn irgendwann einmal einsperren lassen …«
    »Was?« Mando fuhr auf. Sie vermutete, dass Ypsilanti den Alten von der Morea unterstützte, und auch sie stand auf der Seite des Mannes, der sich für die Armen und Unterdrückten einsetzte.
    »Aber sobald die Kämpfe auf dem Festland wieder aufflackern, wird man ihn wieder frei

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