Die Rebellin
begrüßt hatte.
Dies war keine Freundin.
»Warum tust du nicht dasselbe auf Spetsä!«, fuhr Mando auf.
»Ich habe einen Grund zu kämpfen!«
»Ich etwa nicht? Ich will, dass mein Land befreit wird.«
»Was weißt du denn schon davon! Du bist ein verwöhntes Prinzesschen, das sich in der Enge der Kykladenlandschaft und der traurigen Gesellschaft der geldscheffelnden Inselaristokratie nach Abwechslung gesehnt hat und dem der Krieg gerade recht kam! Du führst nicht Krieg, du spielst Kriegführen.«
Weil sie spürte, dass dies der Wahrheit ziemlich nahe kam und ihr nicht schnell genug einfiel, wie sie sich gegen diesen Angriff verteidigen konnte, griff sie selber an: »Das scheint mir eher auf dich zuzutreffen!«
Mit blitzenden Augen erhob sich Bobolina von dem Sessel vor Ypsilantis Zelt. Sie baute sich vor Mando auf, packte sie an den Schultern und schüttelte sie.
»Ist dein Mann nach Konstantinopel verschleppt worden? Ist dein Mann auf Befehl des Sultans so lange gefoltert worden, bis er starb? Sind dir deine Kinder entrissen und als Sklaven verkauft worden?«
Mando schüttelte den Kopf. Bisher hatte sie von Bobolina nur gewusst, dass sie zu Beginn des Krieges drei Schiffe auf eigene Kosten ausgestattet hatte, tollkühn nach Kleinasien gesegelt war und dort unzählige türkische Schiffe vernichtet hatte.
Bobolina war noch nicht fertig.
»Mando Mavrojenous«, sie spuckte den Namen beinahe aus, »Mavrojenous! Deine Familie hat den Türken immer gedient, was haben sie dir denn persönlich angetan, dass du ihre Vernichtung wünschst?«
»Sie haben meinen Vater umgebracht«, erwiderte Mando eilig, im selben Moment wissend, dass es ein Fehler war, auf diese Frage einzugehen.
»Lüg nicht! Nikolaos Mavrojenous ist umgeben von seinen Lieben im Frieden seines Heims an Herzversagen gestorben, wahrscheinlich aus Kummer darüber, dass er vom Sultan nicht mehr reich beschenkt wurde – mit Gaben, die meiner Familie gestohlen worden sind.«
Das war zu viel. Mando erhob sich so würdevoll wie sie konnte.
»Ich verabschiede mich«, sagte sie kühl, »wir haben einander nichts zu sagen, Madame, Sie führen einen persönlichen Rachefeldzug, mich leitet die Sorge um unser Land.«
Hoch erhobenen Hauptes schritt sie zu ihrem Pferd.
Ypsilanti kam ihr zuvor, ergriff die Zügel und bat Mando ihm noch eine Stunde zu schenken.
»Kümmern Sie sich lieber um Ihren Gast«, meinte Mando irritiert.
»Wir haben das Notwendige bereits besprochen, sehen Sie, die Dame kehrt zu ihren Männern zurück.«
Mit Befriedigung sah Mando Bobolina auf einen Esel steigen und zwischen den Bäumen verschwinden.
»Bitte ärgern Sie sich nicht«, bat Ypsilanti, »Bobolina ist eine verbitterte Frau. Sie hat ihren Mann und ihre Kinder verloren und lebt im Streit mit ihrer Familie …«
»Das interessiert mich nicht«, erwiderte Mando, »Sie hat keine Manieren.«
Prinz Dimitri Ypsilanti brach in Gelächter aus.
»Mademoiselle Madon«, sagte er auf Französisch, »ich sehe, dass die Eierschalen noch an Ihnen kleben! Bis jetzt befehligten Sie wohlerzogene Inselbewohner, warten Sie nur, bis Sie mit den Wilden zu tun haben, mit den Klephten, die selbst einem so rauen, erfahrenen Krieger wie Kolokotronis zusetzen. Manieren!« Wieder lachte er.
»Auch Sie nehmen mich also nicht ernst«, sagte Mando.
Sofort hörte er auf zu lachen.
»Da irren Sie sich, Pallas Athene. Seitdem ich Sie zum ersten Mal gesehen habe, verkörpern Sie für mich diese Göttin.«
Einen Augenblick lang sah sie Marcus vor sich. Für ihn war sie Aphrodite gewesen, jene Göttin, der Paris den goldenen Apfel gereicht hatte.
»Welche Göttin sehen Sie dann in Bobolina?«, erkundigte sich Mando spitz.
»Hera?«, fragte er zögernd und jetzt musste auch Mando lachen.
»Natürlich«, sagte sie, »Heras größtes Merkmal war ihre Eifersucht«, und bei dem Gedanken fühlte sie sich wieder versöhnt. Bobolina war eifersüchtig auf die jüngere, schönere Frau, die nicht nur über Arme und Beine ihrer Krieger herrschte, sondern auch über deren Herzen. Mando wusste, dass sie auf jeden Mann Eindruck machen konnte.
Auch auf Ypsilanti offensichtlich, denn seine harten, klugen Augen wurden fast weich, als er sagte: »Wohin werden Sie denn jetzt ziehen, verehrte Athene?«
»Dorthin, wo gekämpft wird, und dann muss ich nach Nauplia, um einige Wertsachen zu Geld zu machen.«
»Darf ich Sie dort besuchen?«, fragte er fast schüchtern.
»Ich bitte darum«, erwiderte sie gnädig,
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