Die Rebellin
sie den Blick, »auf Mykonos also, ist es üblich, dass vor der Ehe ein Vertrag aufgesetzt wird. Wünscht der Mann das Verlöbnis zu lösen, muss er der Braut …«, sie zögerte und sah Dimitri hilflos an.
»… eine Entschädigung zahlen?«, kam er ihr zu Hilfe.
Sie nickte.
»Ich werde veranlassen, dass mein Notar einen Vertrag aufsetzt, damit du beruhigt bist«, versprach er, »aber, glaub mir, meine Schöne, dieser Vertrag wird unnötig sein!«
Mando war jetzt offiziell mit Dimitri Ypsilanti verlobt und hatte den vorehelichen Vertrag in der Tasche. Ihre Zukunft war also gesichert und sie konnte zufrieden sein. Einer der bedeutendsten Männer des Landes wünschte sie sich zur Frau, aber leider wollte er mit dem Vollzug der Ehe nicht bis zur Heirat warten.
Schon an jenem Abend, an dem er seine Unterschrift unter den Vertrag gesetzt hatte, deutete er an, dass er liebend gern die Nacht bei ihr verbringen wollte.
»Du bist auf dem Papier ja schon die meine«, witzelte er, »denn wenn ich dich verließe, würde mich das zum armen Mann machen. Wovor hast du dann Angst?«
»Das verstehst du nicht«, hauchte sie.
»Ich werde dir nicht wehtun, Liebes.«
»Ich habe Angst«, flüsterte sie und wunderte sich, dass der Mann, der sie auf dem Schlachtfeld hatte kämpfen sehen, ihr diese Worte ohne weiteres abzunehmen schien.
Der Mann mochte ein gewiefter Politiker und ein strategisch bewanderter Feldherr sein, von Frauen aber verstand er nichts. Sie war sich noch nicht sicher, ob dies von Vorteil war, erst einmal ging es darum, Zeit zu gewinnen.
»Gut«, sagte er, »wir werden warten, bis du bereit bist.«
Er stand auf, bedeutete ihr sitzen zu bleiben, legte die Arme um ihren Hals und küsste sie erst auf die Wangen, dann auf den Mund. Er nahm ihr Kinn in die linke Hand und strich ihr mit der Rechten langsam über den Hals und übers Dekolleté. Sein Ziel war deutlich. Mando rückte von ihm ab.
»Nein, Liebes«, murmelte er, »wenn ich schon nicht bei dir liegen darf, lass mich deine göttlichen Brüste berühren und küssen …«
Sie sprang auf.
»Das geht mir alles zu schnell, Dimitri«, sagte sie scharf und hörte ihre Mutter sprechen, als sie hinzufügte: »Benimm dich bitte, wie es deinem Stand geziemt!«
Irgendwann würde sie ihm nachgeben müssen. In jener Nacht lag Mando lange wach und überlegte, ob es möglich wäre, einen Mann in sich zu spüren und sich vorzustellen, dass es ein anderer sei. Wenn Dimitri wenigstens Marcus' Statur hätte! Oder seinen Geruch! Sie bekam Gänsehaut bei dem Gedanken, dass er sie mit seinen Spinnenfingern dort berühren würde, wo sie sich gerade selber anfasste, wie fast jede Nacht, in der sie vor Sehnsucht nach Marcus beinahe verging. Sie träumte von der Hütte am Strand von Kalo Livadi, von ihrem breiten Bett, in dem sie so viel Glück gefunden hatte, und sie weinte sich in den Schlaf.
Sie erwachte von ihrem eigenen Schrei, setzte sich im Bett auf und suchte zitternd nach der Öllampe. Sie versuchte die Bilder ihres Alptraums zu verscheuchen. Sie hatte Dimitri Ypsilanti nackt gesehen, und da, wo sich bei Marcus ein stattlicher, schöner, glatter Phallus senkrecht erhob, befanden sich bei Dimitri unzählige Schlangen, die lang, schmal und beweglich über ihren Körper glitten, Schleimspuren hinterließen und unerbittlich dem Eingang zwischen ihren Schenkeln entgegenzüngelten. »Ich habe dich gekauft!«, hörte sie Dimitris verzerrte Stimme und schon spürte sie, wie die erste Schlange in die Höhle vorstieß. Dann hatte sie geschrien.
Sie zitterte und zog sich einen seidenen Morgenmantel über. Für April war es noch empfindlich kalt, und so ging sie ins Wohnzimmer und schürte das Feuer im Kamin. Wie arm sie war! Früher hätte sie nur zu klingeln brauchen und schon hätte irgendein Diener ihr jeden Wunsch erfüllt. Gut, es gab zwei Frauen, die tagsüber ins Haus kamen, die gröbsten Arbeiten verrichten und ihr das Essen zubereiteten, aber das war doch kein Zustand! Vielleicht hatte sich Dimitri darum solche Freiheiten herausgenommen. Auch wenn er wusste, wer sie war und woher sie kam, musste es doch geradezu provozierend wirken, dass sie allein im Haus nächtigte. Es war schon so weit gekommen, dass sie die Haustür selber öffnen musste.
War Griechenland das wirklich wert?
Wo blieb Vassiliki? Hatte ihr Brief Mykonos nicht erreicht, war das Schiff Seeräubern in die Hände gefallen? Oder war gar jenes Schiff, mit dem Vassiliki kommen sollte, gekapert worden?
Weitere Kostenlose Bücher