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Die Rebellin

Die Rebellin

Titel: Die Rebellin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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Er stürmte an Vassiliki vorbei und verließ unter lautem Türenschlagen das Haus.
    »Gib ihm Zeit«, riet Vassiliki, »er muss es erst verdauen. Wetten, dass er heute Nacht oder spätestens morgen wieder in dein Bett gekrochen kommt?«

N AUPLIA
    Als Ypsilanti eine Stunde später bei Mando vorsprechen wollte, wies Vassiliki ihn mit den Worten ab, ihre Herrin sei krank und wünsche niemanden zu empfangen. Irritiert musterte der Prinz das kleine alte Weiblein mit den schwarzen Vogelaugen, auf das sogar er herabschauen konnte, und fragte sich, wo Mando so plötzlich eine Dienerin aufgetrieben hatte.
    »Ich bin Prinz Dimitri Ypsilanti«, sagte er mit seiner Feldherrenstimme, »Mademoiselle Mando ist meine Verlobte und wenn sie sich misslich fühlt, ist es meine Pflicht, ihre Stimmung zu heben.«
    Da sich Vassiliki immer noch nicht vom Fleck rührte, schob er sie einfach zur Seite und betrat das Haus. Im Salon fand er eine in Tränen aufgelöste Mando vor.
    »Teuerste, was ist mit dir?«, rief er erschüttert. Nicht einmal, als Jakinthos gestorben war, hatte er sie so weinen sehen.
    Mando schrak beim Klang seiner Stimme auf. Hastig wischte sie sich die Augen mit dem Ärmel ab und versuchte wieder die Kontrolle über sich zu gewinnen.
    »Meine Schwester«, schluchzte sie. »Ich muss sofort nach Tinos! Ich habe gerade gehört, dass meine Schwester Irini stirbt …« Ein neuer Schwall von Tränen schnitt ihr das Wort ab.
    Ypsilanti kniete sich neben sie und reichte ihr ein großes blütenweißes Taschentuch mit aufgestickter Krone.
    »Das tut mir entsetzlich Leid«, murmelte er. »Ich würde dich ja gerne nach Tinos begleiten.« Er dachte nach. Der Putsch gegen die aristokratische neue Regierung, den er zusammen mit Kolokotronis plante, war für Mitte Mai angesetzt. Nicht einmal mehr zwei Wochen! Nein, er konnte Mando unmöglich auf die Kykladen begleiten und angesichts der Verhältnisse in der Ägäis musste er ihr auch von der Reise abraten.
    »Woran leidet deine Schwester?«, fragte er.
    »Malaria! In der letzten Phase!«
    Dimitri nickte voller Mitgefühl. In Griechenland forderte diese Krankheit mehr Opfer als der Krieg. Plötzlich fiel ihm etwas ein.
    »Du sagtest, dass deine Schwester auf Tinos lebt?«, fragte er.
    Mando nickte.
    »Ich habe gehört, dass dort eine wundertätige Ikone der Panagia entdeckt worden ist …«
    Mando vergaß zu weinen.
    »Jetzt sag nur noch, dass du daran glaubst!«, rief sie.
    Dimitri zuckte mit den Achseln. »Man sollte nichts unversucht lassen. Ich habe in Russland so viele Wunderheilungen miterlebt, dass ich nicht mehr den Hochmut besitze, mich darüber zu erheben.«
    »Nichts geschieht ohne Grund und nichts geschieht, was nicht geschehen kann. Geschieht tatsächlich das, was geschehen kann, kann es nicht als Wunder betrachtet werden. Also gibt es keine Wunder«, zitierte Mando.
    »Cicero«, bemerkte Dimitri anerkennend. Wahrlich, es war eine Freude, mit einem gebildeten Menschen zu sprechen, auch wenn dieser Mensch zurzeit in eine tiefe Melancholie verfallen zu sein schien.
    So sehr Dimitri General Kolokotronis schätzte, so sehr ging es ihm gegen den Strich, dass sich der bärbeißige Feldherr mit so vielen groben Menschen umgab. Wie wenig europäisiert der Alte von der Morea war, hatte sich erst vor wenigen Tagen gezeigt, als er sich von Dimitri dazu überreden ließ, auf einen Ball in Nauplia zu gehen. Angesichts der mit Männern tanzenden Frauen hatte der alte Krieger entsetzt den Kopf geschüttelt, dass ihm die weißen Strähnen nur so ums Gesicht flogen. »Das, mein Freund«, hatte er seinem Begleiter zugeflüstert, »ist kein Tanz, sondern der Auftakt zum Geschlechtsverkehr!«
    Kolokotronis fand es zutiefst beklagenswert, dass die Exilgriechen lieber elegant gekleidet im Walzertakt über das Parkett schwebten, als, wie es sich gehörte, in Fustanellas gehüllt, den Männertanz Zamiko aufführten. Außer mit diesem einen Satz hatte sich Kolokotronis an jenem Abend nicht mehr zu Wort gemeldet, sondern nur mit versteinertem Gesicht die Menschen beobachtet, von denen Griechenlands Wohl abhängen sollte.
    Andererseits, es herrschte immer noch Krieg, und da waren Taten wichtiger als schöne Worte. Kolokotronis war kein Diplomat, aber er schaffte es immer wieder, abtrünnige Landsleute zur Vernunft zu bringen. Er machte niemandem Versprechungen, warnte im Gegenteil das einfache Volk vor den Fallstricken der Freiheit, die es anstrebte, und empfahl jedem sich die Grundbegriffe des

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