Die Rebellin
sagst du da?« Beinahe hätte sie sich an ihrem Kaffee verschluckt.
»Es ist etwas höchst Seltsames geschehen«, sagte Marcus nachdenklich. »Es gibt da auf Tinos die Nonne Pelagia …«
»Die kenne ich, sie ist mir einmal begegnet«, erinnerte sich Mando.
»Pelagia scheint in direktem Kontakt mit der Mutter Gottes zu stehen, so jedenfalls sagt man. Sie hatte die Vision, dass eine Ikone der Mutter Gottes an einer Stelle nahe dem Hafen von Tinos vergraben liegen sollte. Es sollte sich um eine wundertätige Ikone handeln und als Pappas Mavros dort nachgraben ließ, stießen die Menschen wirklich auf ein Heiligenbild der Panagia.«
»Das Zeichen«, murmelte Mando. »Ich erinnere mich, sie hatte sich doch von der Welt zurückgezogen, um auf das Zeichen der Panagia zu warten!«
Marcus nickte.
»Und jetzt kommt das Unheimliche. Einer der Ausgräber hatte ein lahmes Bein. Nachdem er die Ikone berührt hatte, war es geheilt.«
»Und ein anderer war blind und konnte wieder sehen?«
»Lach nicht, Mando, es ist wirklich etwas Merkwürdiges mit dieser Ikone. Deine Schwester, erschrick jetzt bitte nicht, hatte Malaria. Sie lag schon auf dem Totenbett und als ihr Pappas Mavros die Ikone zum Berühren hinhielt, wurde sie auf der Stelle wieder gesund. Und so gibt es noch viele Geschichten.«
»Irini ist jetzt wirklich ganz gesund?« Zum ersten Mal seit Monaten dachte Mando wieder an ihre Schwester.
Marcus nickte.
»Und was hat das alles mit Pappas Mavros' Rückzug aus der Politik zu tun?«, fragte Mando beunruhigt.
»Er ist jetzt ganz im Bann der Kirche, die er an der Stelle der Auffindung errichten lässt. Es soll eine Wallfahrtskirche werden, zu der alle Orthodoxen pilgern sollen.«
»Tinos als Mekka.«
»Und Pappas Mavros als Hohepriester«, setzte Marcus hinzu, »mit der Nonne Pelagia an seiner Seite. Er hat sich von der Welt zurückgezogen und mir sogar gesagt, dass es ihn nicht mehr interessiere, wer in Griechenland die Macht habe. Er habe sich mit seinem weltlichen Streben an Gott versündigt, aber dieser habe Gnade walten lassen und die Mutter Gottes habe ihm das Licht gezeigt.«
Es fiel Mando schwer, Marcus zu glauben. Der Mann, der die Flamme der Freiheit in ihr entzündet hatte und sie jahrelang auf den Kampf zur Befreiung des Landes vorbereitet hatte, der streng genommen nur noch im Nebenberuf Pope gewesen und einer der Führer der Hetärie gewesen war, dieser Mann sollte sich jetzt dem Hokuspokus verschrieben haben?
»Woher nimmt er das Geld für den Bau der Kirche?«, fragte sie plötzlich alarmiert.
»Er sagt, die Mutter Gottes sorge für die Ihren.«
Mando dachte an den grünen Kasten. Sie setzte sich auf.
»Ich muss sofort nach Tinos.«
»Das würde ich dir nicht raten. Auf dem Meer gehen die Kämpfe weiter und außerdem wimmelt es dort zurzeit von Seeräubern, die sich mehr für reich beladene griechische Schiffe interessieren als für türkische Kriegsschiffe.«
»Das ist mir egal. Ich kann auch eine Kanone abfeuern.«
»Mando, ist dir eigentlich klar, dass die Türken das Piratentum sogar unterstützen? Ich habe auf der Hinreise selber erlebt, wie eine kleine griechische Sacoleve von einem türkischen Kriegsschiff einer Seeräuberfregatte zugetrieben wurde. Unsere Brigg entkam nur, weil wir besser vor dem Wind lagen!«
Es stellte sich heraus, dass eine Reise nach Tinos überflüssig war. Als Mando an jenem Morgen in den Salon kam, traute sie ihren Augen nicht. Neben dem Kamin stand der grüne Kasten.
Auf ihr Klingeln schlurfte Vassiliki ins Zimmer. Die Dienerin begrüßte sie gleich mit einer Schmährede über dieses armselige Haus, die schäbige Einrichtung, die unzumutbare Küche und die vernachlässigte Garderobe ihres Täubchens. Sie war außer sich, dass Mando so zu leben gezwungen war, und schlug die sofortige Rückkehr nach Mykonos vor.
Mando unterbrach sie.
»Wie kommt der hierher?«, fragte sie und wies auf den grünen Kasten.
Vassiliki kicherte.
»Ich habe mir erlaubt diesen Gegenstand aus dem Haus von Pappas Mavros zu entfernen.«
»Wie ist dir denn das geglückt?«
Vassiliki dachte einen Moment darüber nach, dass ihr mit dem Kasten noch ganz andere, erheblich abenteuerlichere Dinge geglückt waren, und zuckte die Achseln. »Ich wusste ja, dass er ihn hatte, und dass da was Wertvolles drinsteckt. Ich hatte Angst, dass es der heilige Mann zum Bau seiner Kirche verschwenden wird. Wenn ich jetzt sehe, wie du hier lebst, weiß ich, dass ich richtig gehandelt habe. Du kannst
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