Die Rebellin
Ihr Kopf arbeitete schnell. Sie konnte unmöglich zulassen, dass Vassiliki in die Sklaverei verkauft wurde, gleich am nächsten Tag würde sie sich erkundigen, auf welchen Märkten die nächsten Versteigerungen menschlicher Ware stattfinden würden. Wahrscheinlich auf Kreta, dann würde sie eben dorthin fahren, Dimitri müsste ihr das Geld geben, damit sie Vassiliki wieder freikaufen konnte – und sie erst einmal vor den Nachstellungen ihres Verlobten geschützt war.
Unwillkürlich musste sie lächeln, als sie daran dachte, dass sie weniger Angst davor hatte, Seeräubern in die Hände zu fallen, als mit Dimitri Ypsilanti das Lager zu teilen. Dabei hatte sie es doch selber so eingefädelt, dass er sie begehren würde!
Nein, schalt sie sich, während sie im kalten Wohnzimmer auf und ab lief und mit den Fäusten gegen die verschimmelten Wände schlug, so geht es nicht weiter!
Reiß dich zusammen, Mando Mavrojenous, Dimitri Ypsilanti ist kein Ungeheuer, sondern ein Prinz mit Macht und Reichtum, ein überaus gebildeter Herr, ein tapferer Krieger, ein kluger Politiker. Ist es nicht ein bisschen viel verlangt, dass er auch noch wie Apoll aussehen soll? Oder wie Marcus? Gewöhne dich an den hässlichen Kopf, finde ihn interessant! Den mickrigen Körper könnte man auch drahtig nennen und seine Bewegungen entbehren ja nicht einer gewissen Eleganz. Und wenn's gar zu schlimm wird, kann man immer noch die Augen schließen.
Mandos Vorsatz stand fest. Sie würde ihn nur noch ein klein wenig hinhalten, aber dann würde sie nachgeben. Erst musste sie allerdings mit Vassiliki sprechen. Die würde sicher einen Weg finden, mit dem sie Dimitri glaubhaft vorspiegeln konnte, dass sie noch Jungfrau sei. Es durfte nicht sein, dass er ihr mit dem Hinweis auf schadhafte Ware den Vertrag kündigte!
Sie schrak zusammen.
Jemand klopfte an ihrer Tür. Erst leise, dann immer lauter. Sie schlich sich ans Fenster, konnte aber nicht erkennen, wer solch einen Lärm machte.
»Mein Püppchen, mach auf!«, hörte sie plötzlich eine vertraute Stimme. Sie flog zur Tür, riss sie auf und fiel Vassiliki in die Arme.
»Ich habe gerade an dich gedacht«, schluchzte sie, hob den Kopf und ließ Vassiliki los. Hinter der Dienerin stand Marcus.
Die Zeit blieb stehen, als sie sich in die Augen sahen. Vassiliki huschte ins Haus und ihr entsetzter Aufschrei übertönte Mandos Jubelruf, als sie Marcus in die Arme flog. Sie hing an seinem Hals, konnte sich nicht satt küssen, fuhr immer wieder mit der Zunge über seine vollen schönen Lippen, glitt mit ihren Händen unter seinen Mantel, auf der Suche nach nackter Haut, bis er sie schließlich sanft von sich schob.
»Aber Mando, doch nicht auf der Straße!«
»Nein, komm rein!«, rief sie und zog ihn in den Flur.
»Auf mich braucht ihr keine Rücksicht zu nehmen«, hörte sie Vassilikis Stimme, »mir ist nichts Menschliches fremd. Während ihr euer Wiedersehen feiert, werde ich versuchen diesen Stall auszumisten.« Sie verschwand in der Küche.
Marcus und Mando sahen einander an wie Kinder, die auf frischer Tat ertappt wurden, und lachten.
»Es war gut, dass sie uns damals belauscht hat«, sagte er, »das spart uns Erklärungen!«
»Ich habe dir ja gesagt, Vassiliki ist kein Problem.«
Sie zerrte ihn die steilen Stufen hinauf zu dem Zimmer, das Ypsilanti in jener Nacht so gern mit ihr geteilt hätte. Dimitri! Irgendwann würde sie es Marcus sagen müssen.
Ihr fiel ein, wie ungnädig er immer mit Jakinthos umgegangen war. Wie würde er auf den Mann reagieren, dem sie ihre Hand versprochen hatte!
Den Rest der Nacht verlebte sie wie im Rausch und als sie nach kurzem Schlaf am späten Vormittag wach wurde, fühlte sie sich erfrischt wie seit langem nicht.
Marcus war bereits aufgestanden und er brachte ihr eine Tasse Kaffee ans Bett.
»Ich musste kommen«, sagte er. »Dafür gibt es viele Gründe, aber der Wichtigste ist, dass ich ohne dich seelische und körperliche Qualen litt. Du bist ein Teil von meinem Blut geworden, und das hat nichts mit unserer Verwandtschaft zu tun.«
»Vielleicht doch!«, sagte sie und lehnte sich behaglich zurück. »Wir sind einander so ähnlich. Und jetzt nenne mir bitte die anderen Gründe.«
»Erstens geht es nicht, dass ein Generalleutnant keinen Adjutanten mehr hat. Diese Funktion werde ich jetzt wahrnehmen.«
»Du bist eingestellt«, strahlte sie.
»Zweitens soll ich dir von Pappas Mavros Grüße ausrichten. Er hat sich aus der Politik zurückgezogen.«
»Was
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