Die Rebellion der Maddie Freeman - Kacvinsky, K: Rebellion der Maddie Freeman - Awaken
schaute konzentriert auf die Straße.
»Okay, wieso hast du mich wirklich zu der Lerngruppe eingeladen?«, fragte ich ihn.
»Ich wollte dich persönlich kennenlernen«, antwortete er und unsere Blicke trafen sich in der Dunkelheit des Wagens. Dann wandte er sich wieder der Straße zu und ich nutzte die Gelegenheit, sein Gesicht zu studieren. Aufmerksam betrachtete ich die kleine Delle an seiner Nasenwurzel, die Rundung seines Kinns und ein Paar Lippen, bei dem mir jedes Mal ganz heiß wurde, wenn ich es länger anschaute. Ich wandte mich ab, um wieder klar denken zu können.
»Und was hast du mit der Bemerkung gemeint: ›Da haben wir ja noch eine Menge Arbeit vor uns‹?«
Er schaltete wieder und der Wagen beschleunigte. Justin schaute starr geradeaus. Entweder hatte ich ihn verwirrt, oder er zögerte mit der Antwort. Also entschied ich mich, deutlicher zu werden, bevor er den Ahnungslosen spielen konnte.
»Am Anfang der Stunde, als ich meinen Namen nicht sagen wollte, hast du gemurmelt: ›Da haben wir ja noch eine Menge Arbeit vor uns.‹ Wer ist wir ?«
»Interessanter Einstieg. Du magst es gerne kompliziert, oder?«
»Was hast du denn erwartet? Dass ich nach deiner Lieblingsfarbe frage?«
»Pink«, sagte er mit einem kleinen Grinsen. Er warf mir einen Blick zu und ich verdrehte die Augen. »Okay«, meinte er dann, »mit wir habe ich mich und meinen Freundeskreis gemeint.« Er zögerte kurz, als würde er die Worte sorgfältig wählen, um nichts ungewollt auszuplaudern. »Wie soll ich es ausdrücken? Uns gefällt nicht, in welche Richtung sich die Gesellschaft entwickelt, und wir versuchen auch andere Leute zum Nachdenken zu bringen, um eine Veränderung in Gang zu bringen.«
»Und was genau wollt ihr verändern?«
Er machte eine Pause, bevor er antwortete, und behielt weiter die Straße im Blick. »Unsere Lebensweise, um es ganz allgemein zu sagen. Unsere Kultur, unsere Regierungsform, das Umweltbewusstsein, die Schulerziehung. Die Tatsache, dass alle den ganzen Tag zu Hause vor einem Bildschirm hocken und sich einbilden, sie würden etwas erleben und ein echtes Leben führen. Glaubst du, die Onlinepersonen mit denen du dich triffst, sind wirklich deine Freunde?«
Ich schaute aus dem Fenster und unterdrückte ein Lächeln. Am liebsten hätte ich ihm zugestimmt, denn in meinem tiefsten Inneren hatte ich schon lange das Gefühl gehabt, dass die DS-Erziehung über das Ziel hinausschoss und den Menschen nur beibrachte, sich selbst zu isolieren. Aber Justin konnte es sich leisten, seine Meinung zu sagen, ohne ein Nachspiel fürchten zu müssen, während meine vergangenen Fehltritte mir beigebracht hatten, mich anzupassen.
»Willst du behaupten, ich hätte kein Leben?«, fragte ich. »Das ist ein ganz schön hartes Urteil.«
»Nein, ist es nicht«, konterte er und trat auf die Kupplung. »Wie oft hast du diese Woche das Haus verlassen?«
»Was spielt das für eine Rolle? Bloß weil ich drinnen bleibe, heißt das noch lange nicht, dass ich nichts erlebe. So funktioniert das heute nun einmal.«
»Und deshalb ist es automatisch richtig?«, argumentierte er. »Wir lassen uns kontrollieren und mit dem bisschen Wissen und Erfahrung abfüttern, das andere für uns vorgesiebt haben? Die Computertechnik hat unser Leben in eine digitale Scheinwelt verwandelt, und weil alles so schön bequem ist, merken die Leute nicht einmal, dass sie inzwischen genauso verdrahtet sind wie ihre Maschinen.«
Eine Gruppe ZipShuttles schnurrte an uns vorbei und der Windzug rüttelte an unserem Auto. »Vielleicht sind mehr Leute deiner Meinung als du denkst«, sagte ich.
»Der gleichen Meinung sein, ist nicht schwer, aber um etwas zu verändern, muss man seine Gedanken auch in die Tat umsetzen.« Sein dunkler Blick bohrte sich in meinen. »Oder was meinst du?«
»Okay, nächste Frage. Wie alt bist du?«
Seine Mundwinkel zuckten amüsiert.
»Du siehst nicht aus wie ein Teenager«, fügte ich hinzu.
»Wie kommst du darauf?«
»Ausstrahlung. Bist du tatsächlich noch in der DS 4?«
Er lachte und ich musterte ihn genau. Man sah ihm an, dass er angestrengt über die Antwort nachdachte. Er warf einen Blick in den Rückspiegel und schüttelte den Kopf.
»Nein, ich bin nicht in der DS 4.«
»Sondern im College? Dafür braucht man noch mal zwei bis drei Jahre an der DS, manchmal auch länger …«
»Ich war nie in der Digital School.«
Verwirrt runzelte ich die Brauen. Das war absurd. Erstens bestand Schulpflicht und zweitens war
Weitere Kostenlose Bücher