Die Rebellion der Maddie Freeman - Kacvinsky, K: Rebellion der Maddie Freeman - Awaken
geht?«
Justin runzelte die Stirn. »Was?«
»Darf hier einfach jeder zu Besuch auftauchen?«, fragte ich erstaunt. »Ich meine, müssen wir uns nicht irgendwo anmelden?«
»Lieber Himmel, was hast du denn erwartet? Eine geschlossene Anstalt in Stadtgröße?«
Ich konnte ihn nur verwirrt anschauen. »Ich weiß auch nicht genau, zumindest Barrikaden und Zäune.«
»In deiner Vorstellung war Eden verbarrikadiert?« Er schaute mich ungläubig an und ich zuckte mit den Schultern.
»Na ja, die Leute werden doch hierher ins Exil geschickt.«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, das redet die Regierung nur allen ein. In Wirklichkeit lebt doch der Rest der Gesellschaft hinter Barrikaden.« Justin schaute durch das Autofenster auf die Straße. »Wer hier wohnt, hat es sich selbst ausgesucht. Orte wie dieser werden von der Regierung ignoriert, solange die Bewohner keinen Ärger machen. In Wirklichkeit gibt es eine ganze Reihe von solchen Städten. Sie sind über das ganze Land verteilt,aber fast niemand weiß von ihnen, weil sie nicht auf den Landkarten auftauchen. Hier gibt es echte Bäume, die Menschen verbringen Zeit draußen, und das Leben wird nicht von Paranoia bestimmt. Meine Eltern haben nicht einmal eine abschließbare Haustür.«
Ich schaute fasziniert auf das struppige Gras am Wegesrand und bat Justin anzuhalten. Er stellte den Wagen am Seitenstreifen ab, und bevor wir ganz zum Stehen gekommen waren, hatte ich schon die Tür aufgerissen und war herausgesprungen. Echtes Gras hatte ich erst ein einziges Mal angefasst, nämlich bei einem Zoobesuch in Portland. Es war weich, elastisch und wirkte furchtbar zerbrechlich. Wenn man die Finger zu hart hineingrub, griff man in staubige Erde und konnte sogar aus Versehen die Wurzeln ausreißen. Ich fand es erstaunlich, wie Menschen ihren Alltag mit so einer empfindlichen Pflanze teilen konnten. Das Kunstgras, mit dem ich aufgewachsen war, hielt absolut alles aus. Es vertrocknete nicht, ließ sich nicht niedertrampeln und überstand generell den menschlichen Lebensstil besser als das meiste in der Natur.
Ich kniete auf dem Boden nieder, fuhr mit den Fingern durch die Halme und studierte ihre überraschende Ungleichmäßigkeit. Manche waren dicker, andere kürzer oder grüner als der Rest. Der Rasen schien seine eigene Individualität zu besitzen. Im Vergleich zum Kunstgras war er weicher und nachgiebiger. Justin hatte sich gegen einen Baum gelehnt, um mir zuzuschauen, wodurch meine Aufmerksamkeit darauf gelenkt wurde. Als Erstes fiel mir auf, wie intensiv der Baum duftete, ein warmer, erdiger Geruch ging von ihm aus. Die Krone wiegte sich flüsternd im Wind und das Geräusch erinnerte an sanft fallenden Regen. Es unterschied sich völlig von dem Geraschel der Plastikblätter, die eher zu zischeln und zu tuscheln schienen, während diese hier zufrieden seufzten. Ich stand auf und griff nach einem Blatt, um es zwischen den Fingern zu reiben und seine glatte, seidigeOberfläche zu spüren. Hauchdünne Adern durchliefen das Blatt, die so wirklich und lebendig aussahen wie meine eigenen.
»Erstaunlich, was?«
Überwältigt nickte ich und presste eine Handfläche gegen den Stamm, als erwartete ich, einen Pulsschlag zu spüren.
»Da bekommt man eine völlig neue Perspektive«, sagte er.
»Wie meinst du das?«
Er betrachtete den massiven Stamm. »Dieser Planet wird uns alle überleben. Wir Menschen haben nur das Glück, eine kurze Weile als Besucher auf ihm zu verbringen. Aber wir sind so mit uns selbst beschäftigt, dass wir das nicht kapieren. Stattdessen bilden wir uns ein, dass wir ihn beherrschen können … oder ihn zerstören.« Justin schüttelte den Kopf und trat von dem Baum zurück. »Aber die Macht dazu werden wir nie besitzen. Menschen sind nur eine Spezies unter vielen, die genau wie die übrigen kommen und gehen wird. Wir haben ein kurzes Gastspiel auf diesem Planeten, mehr nicht.«
Ich rieb mit den Fingern über die knorrige Rinde. »Ich kann kaum glauben, dass deine Eltern hier so frei leben dürfen. Sie brechen das Gesetz und zur Strafe können sie den Rest ihres Lebens in einer Art Ferienkolonie verbringen?«
»Maddie, es gibt da etwas, das du wissen solltest«, sagte er mit ernster Miene. »Dein Vater hält meine Eltern für tot.«
Skeptisch schaute ich ihn aus schmalen Augen an. »Was? Wie kommst du darauf?«
»Weil er zu den Anklägern gehörte, die vor vier Jahren ihren Fall vor Gericht verhandelt haben. Nachdem meine Eltern ihre Bewährungsauflagen
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