Die Rebellion der Maddie Freeman - Kacvinsky, K: Rebellion der Maddie Freeman - Awaken
schmal und er setzte sich wieder in Bewegung. »Mein Terminkalender ist immer voll. Mehr, als du dir vorstellen kannst.« Den letzten Satz sagte er mit besonderem Nachdruck.
»Tja, geht uns das nicht allen so?«
»Hör auf, mich mit dem Durchschnitt zu vergleichen. Bei mir ist das etwas anderes.«
Ich starrte ihn an. »Okay, wenn deine Zeit so kostbar ist, warumverbringst du sie dann mit mir? Wochenlang hast du versuchst, mich zu der Lerngruppe zu überreden, obwohl du selbst den Kurs nicht einmal nötig hattest. Warum?«
Er zögerte einen Moment, bis er eine Antwort fand, mit der er zufrieden war. »Weil wir alle dich gerne kennenlernen wollten.«
Als wir den Kunstrasen unseres Vorgartens unter den Füßen spürten, blieben Justin und ich gleichzeitig stehen, um einen Blick auf mein Haus zu werfen. Zum ersten Mal war es mir peinlich, in einer Nobelvilla zu leben. Das dreistöckige Gebäude war im klassischen Stil eines Landhauses entworfen, schiefergrau mit schwarzen Fensterläden. Es war mit Abstand das größte Gebäude in der Nachbarschaft, hatte sechs Schlafzimmer und vier Balkons. In einer Villa dieser Größe konnten wir drei ohne Weiteres unser ganzes Leben drinnen verbringen, ohne uns über den Weg zu laufen. Traurigerweise waren wir mit diesem Arrangement eigentlich ganz zufrieden.
Ich richtete meinen Blick wieder auf Justin.
»Mein Gefühl sagt mir, dass du mir etwas verschweigst«, stellte ich fest. Er starrte mit dunklen Augen zurück.
»Vielleicht verschweigst du mir ja auch etwas.«
So standen wir uns mit verschränkten Armen gegenüber, und sein hypnotischer Blick machte es mir unmöglich, wegzuschauen. Aber die Wahrheit konnte ich ihm nicht sagen. Ich durfte niemandem erzählen, was ich damals mit fünfzehn Jahren angestellt hatte. Das gehörte zu meinen Bewährungsauflagen. Tatsächlich hatten mein Vater und ich Monate daran gearbeitet, alle meine Spuren zu verwischen, damit die Wahrheit nie in die Medien gelangte, denn sonst hätte er seinen Job verloren. Meine Vergangenheit war das Einzige, von dem Justin nie erfahren durfte, doch er schien entschlossen, mir genau dieses Geheimnis zu entreißen.
»Was gibt es über mich schon zu erzählen?«, antwortete ich. »Wie jeder andere Teenager in den USA gehe ich zur DigitalSchool, um anschließend ins digitale College zu kommen und eines Tages ein glückliches digitales Leben zu führen.«
Justin schüttelte den Kopf. »Du bist nicht wie jeder andere. Ich habe den Eindruck, der typische Teenagerlebenslauf ist das Letzte, was du dir wünschst.«
»Schon, aber ich bin damit zufrieden.«
Ungläubig schaute er mich mit schmalen Augen an. »Dann erklär mir mal, wieso du Hausarrest hast. Und warum dein Vater dich mit einem Peilsender ausstattet.«
Ich öffnete schon den Mund, um alles abzustreiten, aber mir kam keine passende Lüge in den Sinn. Oder vielleicht wollte ich auch zum ersten Mal einfach nicht lügen. Er betrachtete mich gespannt, doch bevor einer von uns etwas sagen konnte, ging die Haustür auf, und meine Mutter steckte den Kopf heraus.
»Madeline, dein Vater ist am Flughafen angekommen und auf dem Weg nach Hause.« Sie schaute vielsagend zwischen uns beiden hin und her. Justin verstand den Wink und nickte. Sein Blick traf meinen für einen letzten, kurzen Moment, und er sagte zum Abschied, wir würden in Verbindung bleiben. Ich atmete tief durch und schritt die Eingangsstufen hoch, wobei ich meiner Mutter innerlich für ihr perfektes Timing dankte.
19. Mai 2060
So sieht ein typischer Tag in meinem Leben aus: Jeden Morgen werde ich von meinem Computer geweckt. Man kann alle möglichen Aufwachprogramme einstellen. Mein Computer spielt mir Musikstücke vor, von denen er vermutet, dass sie meinem Geschmack entsprechen. Er schaltet sich nie aus, sondern schläft nur, wenn ich schlafe. In unserem Haus gibt es acht Computersysteme, nämlich in der Küche, im Wohnzimmer, im Keller, im Esszimmer und im Büro meines Vaters, sowie die beiden im Schlafzimmer meiner Eltern, die jeweils eine andere Wand bespielen. Mein Vater hat sogar einen Bildschirm in der Dusche, um morgens die Nachrichten schauen zu können. Ruhig ist es in unserem Haus eigentlich nie.
Ich beginne den Tag damit, zur Schule zu gehen. Sechs Stunden am Stück, nur unterbrochen von einer Essenspause. Meine Mahlzeit besteht aus einem fruchtigen Proteindrink und einem Multivollwert-Sandwich oder einem Salat von VeggieTray. Das ist gesund, praktisch und schnell, deshalb esse
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