Die Rebellion
Frost war natürlich die einzige, die anscheinend unbekümmert durch die leeren Korridore schritt, ruhig und ungerührt wie immer. Schwejksam hielt sich dicht hinter ihr.
Schließlich erreichte die Gruppe den zentralen Aufzugsschacht, und Schwejksam dankte dem Herrn im Himmel, daß
die Lifts noch funktionierten. Es gab auch Rampen, aber der
Weg zur Brücke wäre recht lang geworden. Der Kapitän der Unerschrocken teilte seine Leute in zwei Gruppen auf, und sie
fuhren in getrennten Aufzügen zur Brücke hinauf. Es dauerte
ungemütlich lange, bis die beengten Metallkäfige endlich ankamen, nicht zuletzt, weil die Lifts aus unerfindlichen Gründen
darauf bestanden, auf jedem Zwischendeck anzuhalten.
Schließlich hatten sie es doch geschafft, und die Lifttüren öffneten sich zur Brücke. Schwejksam führte seine Gruppe mit
einem Gefühl, das dicht an Erleichterung herankam. Wenn es
irgendwo an Bord dieses Schiffes Antworten gab, dann sollte
er imstande sein, sie hier zu finden.
Der Kommandantensitz war leer. Kein Skelett und kein verrottender Leichnam saß darin, genausowenig wie an den Konsolen. Kein Zeichen der Besatzung. Es schien überhaupt niemals eine Besatzung gegeben zu haben. Alles war genau so,
wie Schwejksam es erwartet hatte, und doch spürte er deswegen unerklärlicherweise so etwas wie Enttäuschung. Irgend
etwas Kataklystisches mußte hier an Bord der Verfechter geschehen sein, um die Brücke so zu verlassen, wie es anscheinend geschehen war. Und doch gab es nirgendwo Hinweise auf
einen Angriff oder Meuterei, keinerlei Zeichen von Beschädigungen und keine Spuren von Hast. Creutz beugte sich über die
Komm-Station und versuchte, die Geräte warmlaufen zu lassen, doch bald wandte er sich wieder ab.
»Alles ist abgeschaltet, Kapitän«, sagte er. »Gebt mir eine
Stunde oder zwei, und ich sollte einige Apparate zum Leben
erwecken können. Die Hälfte der Systeme muß von Grund auf
neu programmiert werden, ansonsten scheint alles zu funktionieren.«
»Der Autopilot ist eingeschaltet«, meldete sich Frost. »Irgend
jemand muß de Koordinaten eingegeben haben, die das Schiff
herbrachten.«
»Halt, einen Augenblick!« ertönte Creutz’ Stimme in ihren
Helmen. »Ich habe die Sicherheitskameras zum Laufen gebracht. Es sollte eigentlich unmöglich sein, aber … Beobachtet
die Monitore.«
Die kleine Gruppe scharte sich um Creutz und starrte auf eine
Reihe von drei Monitoren, die zu seiner Station gehörten. Sie
wurden nach kurzer Zeit hell, als hätte man sie gerade erst abgeschaltet. Creutz schaltete rasch von einer Kamera zur nächsten, quer durch das gesamte Schiff, und ein Bild nach dem
anderen erschien auf den Schirmen, knapp lang genug, um ein
Gefühl für die bedrückende Leere überall an Bord zu vermitteln. Über die Korridore zum Maschinenraum, von der Krankenstation zu den Mannschaftsquartieren, überall herrschte
Stille. Nichts rührte sich. Schwejksam erschauerte ein über das
andere Mal vom Anblick dieses leeren, verlassenen Schiffes.
Der Kapitän versuchte, sich Einzelheiten über die Geschichte
der Verfechter ins Gedächtnis zurückzurufen, die über die reine
Legende hinausgingen. Der Kapitän, Thomas Pearce, war ein
in jeder Hinsicht harter Offizier gewesen. Immer genau nach
Vorschrift und so hart gegen sich selbst wie gegen andere. Alle
hatten darin übereingestimmt, daß er sein Schiff perfekt unter
Kontrolle gehabt hatte … bis zu dem Tag, als es verschwunden
war. Er wäre niemals einfach so von Bord gegangen, ganz
gleich, was seine Mannschaft tat. Pearce hätte zuerst den
Selbstzerstörungsmechanismus in Gang gesetzt. Schwejksam
fragte sich, was Pearce wohl jetzt an seiner Stelle denken würde, wenn er so viele verlassene, unbesetzte Stationen sehen
könnte. Nein, er wäre nicht einfach so von Bord gegangen.
Irgend jemand oder irgend etwas mußte ihn mit Gewalt von
Bord geschleift haben.
»Hallo«, sagte Creutz plötzlich. »Was haben wir denn da?«
Er hantierte an den Kontrollen, murmelte leise vor sich hin und
tippte unbeholfen mit dem dicken Handschuh auf der Tastatur
herum. Hartanzüge waren nicht für feinmotorische Arbeiten
geschaffen. »Ich schätze, wir haben etwas gefunden, Kapitän.
Die Kameras im Frachthangar sind außer Betrieb, doch ich
erhalte einige Informationen über die internen Schiffssensoren.
Im Frachtraum ist etwas. Eine ganze Menge sogar, Sir.«
»Das ist wohl kaum ungewöhnlich für einen Frachtraum,
meint Ihr nicht?« sagte
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